Benedict Esche

Architekt, Berlin, München. Deutsche Akademie Rom Villa Massimo Stipendiat 2017/2018.

Jung sein, modern sein – was uns noch heute wie selbstverständlich über die Lippen kommt, steckt von Anfang an in zeitlogischen Nöten. Nicht umsonst forderte 1873 der französische Dichter Arthur Rimbaud in Une saison en enfer, man müsse absolut sein. Absolut modern. Absolut jung. Es reicht nicht aus, nur jung zu sein, denn die bloße Teilnahme an der jeweiligen Gegenwart reicht nicht aus, um diese weiter zu gestalten. Jung sein, modern sein, ist nicht auf das Alter beschränkt, sondern es ist die Gewissheit, Zeuge eines Neuanfangs zu sein. Denn: Nichts ist flüchtiger als die Zeit. Nichts ist andauernder als der Wechsel.

Architektur hat in ihrer wechselvollen Geschichte immer die Funktion eines zentralen Ortes – als Ort des selbstbestimmten Lebens zwischen Wohnen und Arbeiten. Mit eindrucksvoller Dynamik erfindet sich Architektur immer wieder neu. Für mich birgt Architektur die Chance des Rückzugsmoment, in den man sich vom Komplexitätsüberhang der „Außenwelt“ zurückzieht, zum Ort der Selbstverwirklichung – schichten-, alters-, geschlechts- und zeitübergreifend. Die neue sinnsuchende Gesellschaft fragt nach variablen und flexiblen Räumen für Kommunikation, Ernährung, Wellness, Schlafen, Erholung und Unterhaltung. Die Entwicklung der Telekommunikation verbindet Arbeit und Freizeit stärker und wird die Grenzen zwischen öffentlich und privat weiter verschieben. Intelligente Technik und neue Materialien bestimmen unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit die Ästhetik in der Architektur.

Architektur hat in Zukunft weit weniger mit Eigentum zu tun. Unser Selbst definieren wir nicht mehr mit Besitz, sondern in der Art, wie wir leben. Für mich heißt jung sein, modern sein, in einen Raum zu kommen und ihn zu füllen. Zu strahlen wie ein Kind, und neugierig sein – hungrig zu sein. Die Sprachlosigkeit zu verlieren, ergriffen sein, von seiner Aufgabe, um zu bewegen, überzeugen zu können. Begeistern zu können. In Analogien, Metaphern und Symbolen. Als Architekt habe ich mich im Dialog vom Großen ins Kleine, vom gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang über den Städtebau bis hin zu individuellen Lebensformen der Architektur anzunähern, Hemmnisse zu überwinden, um Potenziale in der Architektur noch besser zu gestalten, wie sich die Bedingungen für nachhaltige Architektur effektiver und effizienter gestalten lassen, konkret, immer wieder neue Lösungen anzudenken, Experimente zu wagen, die sich aber in das Ganze einfügen. Einheit in Vielfalt, Vielfalt in Einheit.

Es geht um Qualitäten in der Architektur, Aggregate für ideales Leben, was eine Architektur lebendig macht. Es geht auch um Unorte in der Architektur, nach Visionen oder Depressionen, Utopien oder Endstationen, des einen Ort als des anderen Unort. Dabei bleibt stets die Prämisse der Respekt vor der Kultur des anderen, das Andere zu akzeptieren, vom Anderen zu lernen und Gemeinsamkeiten zu finden. Als Voraussetzung des Miteinander.

Das Jung-Sein ist an kein Alter gefasst. Es ist vielmehr eine Haltung.