Von Karlheinz Beer
Architekt und 1. Vorsitzender BDA Bayern
Der Architektenwettbewerb stellt ein einzigartiges und damit beispielgebendes Erfolgsmodell dar. Die unbestreitbaren Vorteile eines Leistungswettbewerbs zur Auswahl des geeigneten Architekten für die Planung einer individuellen Bauaufgabe sind seit Jahrhunderten ein effizientes Verfahren für Bauherren.
Der Nutzen bleibt dabei nicht auf die Architektenauswahl beschränkt. Der Wettstreit der Architekten untereinander im Rahmen von Wettbewerbsverfahren und die dabei vorhandene Konkurrenz erzeugen bestmögliche Qualität für das zu planende Projekt im Interesse des Bauherrn. Diese Qualität ist aber gleichzeitig für die Wirkung von Gebäuden in der Öffentlichkeit verantwortlich und bildet damit den Grundstein für das, was die Allgemeinheit als Baukultur bezeichnet. Die Durchführung von Wettbewerben erfolgt somit sowohl im Interesse der Architekten selbst als auch der Bauherrn und der breiten Öffentlichkeit und bietet allen Beteiligten gleichermaßen Vorteile.
Ein weiterer Grund für den anhaltenden Erfolg sind die Regularien, nach denen Wettbewerbe durchgeführt werden. Diese sichern in transparenter Weise die Rechte der teilnehmenden Architekten und die des Auslobers und Bauherrn. Die unverzichtbaren Essentials für die Wettbewerbsdurchführung sind seit Anbeginn nahezu unverändert:
– Anonymität des Verfahrens
– Bewertung durch eine unabhängige Fachjury
– Herstellung einer Rangfolge und Vergabe von Preisen
– Schutz der Urheberrechte der Teilnehmer
– Auftragsversprechen
Als Garant für rechtssichere und inhaltlich ausgewogene Auslobungsbedingungen hat sich die unmittelbare Mitwirkung des Berufsstandes bei der Prüfung der formellen Auslobungsbedingungen erwiesen. Zunächst vom BDA, dann seit Mitte der 70er Jahre wird von den Architektenkammern jede Auslobung auf die Einhaltung der Regularien geprüft. Mit der Erteilung des Registriervermerks (früher: Übereinstimmungsvermerk) wird bestätigt, dass die Auslobung frei von Bedenken ist. Die Architektenkammern übernehmen mit dieser Prüfung Verantwortung für die Teilnehmer und fungieren quasi als deren Anwalt.
Das tatsächliche Funktionieren dieses Systems ist natürlich abhängig von der Professionalität der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kammer, aber ebenso auch vom hohem Engagement der ehrenamtlich Tätigen in den Verbänden. Gerade die Mitglieder des BDA Bayern haben stets maßgeblichen Einfluss auf Entscheidungen auf Landes- und Bundesebene genommen, wenn es um den Erhalt der Grundsätze für Wettbewerbsverfahren ging.
Dass nach der Rezession in der Bauwirtschaft die Zahl der Wettbewerbsverfahren gerade in Bayern steil nach oben ging, ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass tatsächlich jede Auslobung individuell beraten wird und auch Sonderwünschen von Ausloberseite flexibel Rechnung getragen wird, ohne dass dabei Architekteninteressen oder die „Essentials“ in Frage gestellt oder verletzt worden wären. Über 450 registrierte Wettbewerbe in Bayern in den letzten 5 Jahren sind dafür nachhaltiger Beleg.
Gefahren drohen eher von Innen durch überzogene Vorstellungen und Forderungen der Beteiligten. Hierzu zählt leider auch die seitens des Berufsstandes sehr vehement vorgetragene Forderung nach offenen Wettbewerben. Angesichts der Tatsache, dass mit der Vollendung des Binnenmarktes ein striktes Verbot jeglicher regionalbezogener Einschränkungen einhergegangen ist, würde eine schrankenlose europaweite Öffnung zu unlösbaren logistischen Problemen führen. Nicht übersehen werden darf nämlich, dass die einstmals offenen Realisierungswettbewerbe nur aufgrund der Tatsache, dass sie auf Regierungsbezirke oder Länder beschränkt waren, überhaupt durchführbar waren.
Deutlich wichtiger ist hier das Engagement für die Sicherung der Beteiligung von Berufsanfängern und kleineren Büroeinheiten. Die hierzu vom BDA Bayern im Frühjahr 2015 veröffentlicht Broschüre ist hierfür ein entscheidender Meilenstein.
Auch der weitere Kritikpunkt, Wettbewerbe seien zu zeitaufwendig, zu teuer und organisatorisch nicht zu bewältigen, fällt häufig auf die Auslober selbst zurück. Ursache hierfür sind häufig von Ausloberseite geforderte Materialschlachten, die völlig unsinnig sind. Wenn nämlich den teilnehmenden Architekten überzogene Leistungen abgefordert werden, stellt sich die Frage, ob diese im Rahmen einer Preisgerichtssitzung überhaupt bewertbar sind. Dies gilt in erster Linie in Bezug auf Berechnungen und Aufstellungen aus dem Bereich Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Energie. Diese zweifellos neben der Gestaltung wesentlichen Kriterien für die Qualität eines Entwurfs können anhand von genau bezeichneten Punkten in der Aufgabenstellung für das Preisgericht erkennbar und bewertbar gemacht werden, ohne dass umfangreich zusätzliche Unterlagen gefertigt werden müssen. Auch in Bezug auf die graphische Darstellung des Entwurfs sollte wieder mehr Zurückhaltung geübt werden. Denn häufig wird für das Preisgericht die klare Darstellung (schwarzer Strich auf weißem Grund) leichter zu beurteilen sein als eine allzu perfekte graphische Aufbereitung.
Wenn darauf geachtet wird, dass der Wettbewerbsentwurf keinen vorweggenommenen Vorentwurf nach HOAI darstellen kann, bleibt auch der Aufwand für Teilnehmer, Vorprüfer, Preisgericht und Auslober überschaubar. Auch die Besetzung, besser: die Überbesetzung von Preisgerichten führt zu Problemen, die jederzeit vermeidbar wären. Preisgerichte, die aus über 40 Personen (inkl. Berater und Sachverständige) bestehen, sind zumindest schwerfällig, in der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt und auch terminlich und räumlich kaum mehr koordinierbar. Auch die dadurch entstehenden Kosten belasten Auslober nachhaltig.
Wenn auch nachvollziehbar ist, dass bei einer Kommune als Auslober und als Sachpreisrichter nicht nur die Führungsspitze, sondern auch alle Stadtratsfraktionen, Ausschussvorsitzende und sonstige Vertreter von Interessensgruppen vertreten sein wollen, sollte jedoch die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Preisgerichts weiter unbedingten Vorrang haben.
Möglicherweise ergeben sich aus den Vorschriften zur Bürgerbeteiligung, eingeführt mit der RPW 2013, Ansätze, dass auf der einen Seite schlanke Preisgerichte möglich bleiben, die Meinung der nicht berücksichtigten Kommunalpolitiker und sonstigen Interessensgruppen flankierend abgefragt und berücksichtigt werden kann. Hier sollten tatsächlich Modelle erarbeitet und geprüft werden, um offensichtliche organisatorische Probleme zu vermeiden, ohne dass die ebenfalls notwendige und gewünschte Beteiligung verloren geht.
Als Resümee lässt sich daher feststellen, dass mit einfachen, aber klaren Regeln nicht nur die transparente Vergabe von Aufträgen an Architekten gesichert wird, sondern auch Auslober und Öffentlichkeit erhebliche Vorteile daraus ziehen. Das Ziel eines Berufsverbandes für Architekten muss also daraufhin gerichtet sein, diese Grundlagen zu erhalten und, wenn notwendig, kommenden Entwicklungen anzupassen. Die professionelle und individuelle Beratung bei der Auslobung und Erteilung von Registriervermerken muss weiter unterstützt werden.
Die in Kürze anstehenden EU bedingten Änderungen der Vergabestrukturen müssen auch als Katalysatoren verstanden werden – das Wettbewerbswesen zu reformieren. Ziel bleibt es die Anzahl der Wettbewerbe deutlich zu erhöhen und die Zugangsmöglichkeiten unabhängig von Größe und Erfahrung des Büros nicht einzuschränken. Dem hohen Mass an Qualität in unseren Architekturbüros und der wertvollen Kreativität, die erst notwendige Entwicklungen in unserer Gesellschaft ermöglichen, sind wir verpflichtet.
Lesetipp:
BaunetzWoche#400: Competition – Über Wettbewerbe
u.a. mit Jeanette Kunsmann über das Scheitern mit Champagner, Luise Rellensmann im Gespräch mit Fuensanto Nieto und Enrique Sobejano über Wettbewerbe als Versuchslabor, Sophie Jung über die Verlierer vergangener Jahrhunderte, von Bernini bis Le Corbusier, Jeanette Kunsmann im Gespräch mit Frank Barkow über den Durchschnitt, Demokratie und Champagner und dem Wettbewerb als gefährliches, unkalkulierbares und brisantes Mittel, Stephan Becker über Wettbewerbe als Wohltat fürs Lebensgefühl: It’s only Rock’n’Roll, Luise Rellensbach im Gespräch mit Phase eins über Wettbewerbe als Exportschlager, Bettina Krause über Gemeinsamkeiten von Architekturwettbewerben und Zirkusvorstellungen und die Arbeitsweise von Stararchitekten bei Wettbewerben, und – last not least – Polina Goldberg im Gespräch mit Sergei Tschoban und Karsten Waldschmidt über das Wettbewerbswesen im Architektenleben.
Ich plädiere für den offenen zweiphasigen Wettbewerb mit niedrigen Preisgeldern, jedoch einer angemessenen Aufwandsentschädigung für alle Teilnehmer in der zweiten Phase. Der offene zweiphasige Wettbewerb bietet unserer Gesellschaft die besten Chancen für ihre baukulturelle Weiterentwicklung, dem Bauherrn optimale Konzepte und den Architekten eine faire Auftragsvergabe. Ein nachgeschaltetes Bewerbungsverfahren ist legitim und für die weitere Zusammenarbeit schlichtweg eine Notwendigkeit. Das Verfahren sollte der Bauherr allein mit dem Träger des ersten Preises führen.
Robert Rechenauer
Architekt, München
Der offene zweiphasige Wettbewerb ist vorallem eins: fair. Um mehr offene Wettbewerbe zu etablieren, ist die Zweiphasigkeit ein großartiges Instrument: Zum einen maximiert sie die Bandbreite an Lösungsvorschlägen, inspiriert damit die Diskussion und lehrt Auslober und Jury, die Aufgabe zuallererst visionär zu denken. Zum anderen minimiert sie den Aufwand bei den teilnehmenden Büros, sofern das Verfahren auch inhaltlich zweiphasig aufgebaut ist: also eine erste Qualifizierung über eine starke konzeptionelle Entwurfsidee und deren spätere Vertiefung in Phase 2.
Denn der Nachteil des offenen Wettbewerbs ist, dass der hohe Aufwand – aufgrund größerer Teilnehmerzahl – noch marginaleren bis absurden Erfolgsaussichten gegenübersteht. Deshalb ist der offene zweiphasige Wettbewerb bezüglich Input – Output gleichzeitig wirkungsvoller und fairer.
Im Ergebnis wird der Wettbewerb nicht nur zum zielorientierten Akquisetool, sondern wird einen permanenten, virulenten und ambitionierten Wettstreit von Ideen und Haltungen kultivieren, den kreativen Diskurs als gesellschaftliches Engagement der Architekten. Da lohnt sich der Aufwand.
Ina Laux
Architektin und Stadtplanerin, München
Lesetipp 2: Des Architekten Freud und Leid von Marcel Bächtinger, in: Hochparterre, 13.10.2015.
Auch in Deutschland wird gerade rege über das Wettbewerbsverfahren diskutiert. «BDAtalk», das Online-Debattenmagazin des Bund Deutscher Architekten Bayern, stellt als aktuelles Thema die Frage «Wettbewerb – Garant für Qualität?» in den Raum. …
http://www.hochparterre.ch/nachrichten/wettbewerbe/blog/post/detail/des-architekten-freud-und-leid-ii/1444740033/
…aus aktuellem Anlaß: Gerhard Matzigs Beitrag „Gegen die Mauschelei“ in der Süddeutschen Zeitung, 08.02.2017, über die Intransparenz von Architekturwettbewerben und die radikale Öffnung von Ausschreibungen.