Im Umgang mit den Bauten der Nachkriegsmoderne benötigen wir einen Paradigmenwechsel hin zum Erhalt des Bestehenden. Weniger Verschwendung, kreatives Unterlassen ist gefragt. „Alt ist das neue Cool“.
Keynote:
Annemarie Bosch
Architektin und Stadtplanerin in Erlangen, Energieberaterin sowie Mitglied des BDA Präsidiums
Das Postulat im BDA-Positionspapier „Das Haus der Erde“ ist eindeutig: „Dem Erhalt des Bestehenden kommt Priorität zu.“ Für den BDA ist dieses Postulat angesichts der Klimakrise der neue Imperativ des Bauens.
Brandschutzertüchtigung, Nutzungsänderungen, Generalsanierung.
Kommen diese Forderungen auf die Bausubstanz der fünfziger bis siebziger Jahre zu, wird bestehenden Bauten der Nachkriegsmoderne schnell jegliche Möglichkeit des Erhalts abgesprochen. Ultima Ratio erscheint dann die „Wirtschaftlichkeit“ und es folgt der Abbruch.
Aber ist es wirklich nur die unzulängliche Bausubstanz, die eine energetische Ertüchtigung, den Umbau oder die Sanierung des Bestandes unmöglich erscheinen lässt?
Serielle und funktionale Bauweise, moderne Materialien wie Sichtbeton, im Wohnungsbau das Stigma der Großsiedlungen. Viele Faktoren verhindern bis heute Akzeptanz und Sympathie für diese Epoche. „Form als wesentliche Funktion, dieses schon lang bekannte Argument, wird bei architektonischen Anliegen von der Gesellschaft nur selten akzeptiert“, stellte Arne Jacobsen schon 1969 fest.
Wohnungsbauten fallen zahllos zugunsten höherer Dichte oder anstelle einer Sanierung. Der Wert der grauen Energie des Bestands zählt nicht. Auch der Denkmalschutz schützt die Gebäude nicht. Um das Rathaus in Mainz von Arne Jacobsen und Otto Weidling aus dem Jahr 1973 wurde jahrelang gerungen, bis der Stadtrat sich für die Sanierung entschied. Das denkmalgeschützte Verwaltungsgebäude der Firma Osram in München, beispielgebender Verwaltungsbau des Jahres 1965 von Walter Henn und Dieter Ströbel, wurde zugunsten neuer Wohnbebauung abgerissen, anstatt den Bestand zu transformieren. Akut gefährdet ist das ehemalige Gesundheitshaus der Stadt München. Nach der Zwischennutzung durch das „Museum of Contemporary Art“ soll es abgebrochen und neu gebaut werden, da die Generalsanierung teurer käme.
Unsere Städte sind geprägt von Gebäuden der 50er bis 70er Jahre, zur Errichtungszeit gefeierte Zeichen des Wiederaufbaus, des gesellschaftlichen Aufbruchs und Experiments.
Die Gebäude dieser Epoche müssen als prägender Teil unserer Nachkriegsgeschichte im Stadtbild erhalten bleiben. Nehmen wir die Notwendigkeit des Handelns im Zusammenhang mit dem Klimaschutz ernst, wird zukünftig der Gebäudebestand bevorzugt erhalten und experimentell, innovativ und reduktiv weiterentwickelt werden. Das Experimentelle der 70er Jahre sollte uns dabei inspirieren.
Der BDA formuliert es im Begleitbuch zur Ausstellung „Sorge um den Bestand“ so:
„Aufbruch ins Bestehende“ ist der Aufbruch zu einer reduktiven Strategie, die die planetarischen Grenzen anerkennt und im Bestehenden durch kreatives Interagieren und Weiternutzen die gesellschaftlichen Zukunftsräume schafft“.
Alt ist das Neue Cool!