Benedict Esche

Architekt Berlin, München

Wenn man über Licht und Hoffnung in Verbindung mit Bauen spricht, geht es dabei nicht um große Dinge, um neue Museen, Shelter oder Kirchen. Es beginnt ganz klein, fängt ganz einfacher an. Denn: Licht und Hoffnung in Architektur ist überall.

Denke ich zurück, denke ich an mein erstes Baumhaus. Das Lächeln, das Strahlen in dem Gesicht meines Bruders, das Freuen und Lachen meiner Freunde, als wir das Baumhaus letztendlich mit Leben füllten. Fünfzehn Jahre später denke ich an ein altes Bauernhaus, in dem wir Menschen eine Heimat schufen. Ganz einfach, kein Gold, kein Marmor, kein Glitzern, kein Prunken, keine Staffage. Ein Zuhause. Nun, in der Architektur tagtäglich damit konfrontiert zu sein, Wohnraum, Lebensraum, Heimat zu schaffen, ist es das, was strahlt.

Doch wie können wir dies noch viel mehr Menschen ermöglichen? Längst heisst es, landauf landab, wir brauchen mehr Wohnraum, so mancher spricht von einem Grundrecht auf Wohnen, doch die Bereitschaft dazu, wo bleibt sie, neue Wege in Architektur und Städtebau zu gehen? Nicht zu sprechen von den Baukosten und Normen, sie steigen stetig an. Es gilt, uneigennützig, motiviert und voller Leidenschaft an diese grundlegenden Fragen unserer Zeit heranzugehen.

Heimat ist immer dort, wo man sich versteht, wo man der sein kann, der man sein will. Wo man Gleichgesinnte findet, sich am richtigen Platz findet. Das kann überall auf der Welt sein. In Berlin, in der bayerischen Provinz in den Alpen oder auch am Rio del Plata. Denn Heimat ist kein Ort. Sie ist ein Grundbedürfnis. Es ist ein Gefühl im Zeitalter von Wertewandel, Wirtschaftskrise und Globalisierung, Gerade jetzt entdecken wir, wie wichtig es ist, sich irgendwo zu Hause zu fühlen. „Heimat – A German Dream“ heisst ein englisches Buch, in denen die Autorinnen Elizabeth Boa und Rachel Palfreyman versuchen, ihren Landsleuten das deutsche Wort mit den Begriffen „homeland“ und „roots“ nahezubringen. Heimat, als Ort der Verwurzelung, hatte Peter Sandmeyer es einmal so treffend im Stern umrissen. Dabei ist der Ort für jeden ein anderer: das geduckte Dorf in der Eiffel, der Fischer-Hafen an der Nordsee, die Mietskaserne mit vier Hinterhöfen in Kreuzberg, die dunklen Tannen des Schwarzwalds, Bayerns Alpenpräludium, oder die rußgeschwärzte Zechensiedlung im Ruhrgebiet. Es sind die Geschichten von kleinen Häusern und großen Häusern, von Orten, wo Wurzeln haften.

Aber Heimat ist noch viel mehr. Die Erinnerung gehört dazu, die in das unterbewusste Gedächtnis eingebrannte Mischung aus Hören,  Riechen und Schmecken. Der Duft von Buletten und Sauerkraut auf dem Küchentisch, das laute Lachen der Krähen in den Bäumen, der weite Himmel, die Luft, die nach salziger See riecht, nach Autoabgasen oder der Morgennebel über herbstlichen Wiesen. Der Dialekt aus der Kindheit, die Lieblingsmusik der Eltern und der Duft des Morgenkaffees. Solange Heimat da ist, spürt man sie kaum. Wie gute Luft, die man atmet und für stets selbstverständlich hält. Erst wenn beides fehlt, erkennt man ihren Wert. Dann schmerzt die Lunge vom Kneipenqualm und die Seele von Heimatverlust.

„Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen“, schrieb Theodor Fontane. In der Fremde hat ihn jeder schon erlebt, diesen plötzliche warme Gefühl, wenn auf der Autobahn nach Mailand aus dem Radio eine Bachkantate dringt oder jemand nachts im Fernsehen Rilke zitiert. Deswegen ist Heimat ja umso schöner, je weiter weg sie ist. Aus der Ferne sieht man keine fahle Haut, keine Falten. Ferne verklärt und macht sehnsüchtig. Manchen so sehr, dass er ohne Heimat nicht mehr leben will. Er sei „erschöpft durch die langen Jahre heimatlosen Wanderns“ und resigniert, „nachdem die Welt meiner eigenen Sprache für mich untergegangen ist und meine geistige Heimat Europa sich selbst vernichtet“, schrieb der Emigrant Stefan Zweig, bevor er sich 1942 in Brasilien das Leben nahm.

„Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache“, so Friedrich von Humboldt.  Sie bestimmt die Sehnsucht danach, und die Entfernung vom Heimischen geht immer durch die Sprache am schnellsten. „Wenn ich daheim bin, versteht mich jeder sofort“, sagt der weltläufige Politiker Wolfgang Schäuble und bekennt, dass ihm diese „Geborgenheit in der Mentalität“ wichtig sei. So wie Hermann Hesses Peter Camenzind, der nach langer Weltwanderung zurückkehrt in die Berge und das Dorf seiner Kindheit: „Hier fällt es niemand ein, einen Sonderling in mir zu sehen.“

Architektur ist weit mehr als die Synthese von Funktion, Konstruktion und Deutung, Sie ist weit mehr als die Auslotung von Grenzlinien, Technologie, Ökonomie und Gestalt. Es gilt, die Umwelt aus der pragmatischen Realität in die metaphysische Welt der Ideen zu transformieren, die Alltagswelt zu sensibilisieren und aus einer reinen Trivialität herauszuheben. Es geht darum, neue Qualitäten zu entwickeln – nicht nur bezahlbaren Wohnraum en masse. Mit einfachsten und gewöhnlichsten Wänden, Decken, Öffnungen Raumeindrücke und Bilder zu schaffen, die begeistern. Es ist ein Arbeiten mit dem Wesentlichen, das es jedem ermöglichen kann, Licht in der Architektur zu spüren.