Dr. Johann Hartl

Stadtplaner, Sprecher des AK Planungsrecht der SRL – Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung e.V.

Baugesetzgebung setzt Schranken – mit örtlichen Gestaltungssatzungen der persönlichen Freiheit, mit Dichte-Obergrenzen in der BauNVO dem Grundeigentum. Sie begrenzt nicht Qualität, sondern verhindert Auswüchse, die mancher Bauherr zwar für sich haben, bei anderen aber verhindern möchte. Der Traum vom Cinderella-Schloss wird daher scheitern wie eine Reinkarnation von Meyer’s Hof in der Berliner Ackerstraße. Das und vieles mehr bewirken BauGB und BauNVO, 16 Bauordnungen, tausende gemeindlicher Satzungen. Anders, als die Düsseldorfer Erklärung meint, verhindern sie nicht, sondern sichern Qualität und Quartiersbildung, Funktionsmischung und Urbanität.

Das BauGB benennt als Rahmen vor allem allgemeine Ziele, stellt Instrumente und Verfahren bereit. Ziele werden laufend, fast schon tagesaktuell ergänzt, wie zuletzt in § 1 BauGB; dass zu den Wohnbedürfnissen sogar die „von Familien mit mehreren Kindern“ gehören, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Das gesamte BauGB bietet Möglichkeiten, Qualitäten einzufordern: städtebauliche Entwicklungskonzepte können von der Gemeinde beschlossen werden (§ 1 Abs. 6 Nr. 11), Instrumente zur Planverwirklichung sind umfänglich vorhanden. In den Niederungen der Kommunalpolitik scheitern positive Angebote aber an Bedenkenträgern, Interessengruppen und der Scheu vor juristischen Auseinandersetzungen mit Eigentümern.

Zur Funktionsmischung steht das Instrumentarium bereit. Durchzusetzen wäre sie nur mit härteren Bestimmungen im Planungsrecht, denn „Marktteilnehmer“ agieren grundsätzlich monofunktional und “groß“ – Shopping-Center mit idealem Angebotsmix, Office-Parcs für die Wirtschaft 4.0. Wohnanlagen werden „exklusiv“ und „hochwertig“ für Zielgruppen konzipiert, vorzugsweise für Einzel-Eigentümer. Das Zinshaus mit der Beletage, darüber den gebildeten Ständen, dahinter der arbeitenden Klasse ist Vergangenheit. Mischung im direkten Umfeld von Appartment oder Doppelhaushälfte stößt auf Ablehnung der potenziellen Käufer. Der kleine Laden an der Ecke ist in der Münchner Messestadt Riem gescheitert. „Der Markt“ verhindert feinkörnige Mischung, trotz aller den Gemeinden eröffneten Möglichkeiten in den B-Plänen (vgl. § 9 Abs. 3 BauGB). Die schmale Parzelle, Kleinteiligkeit als Kernelement von Urbanität, ist im BauGB nicht vorgesehen, Grundstücksgrenzen sind nicht festsetzbar.

Vermeintlich zu geringe Obergrenzen der BauNVO werden mit guten städtebaulichen Begründungen in B-Plänen überwunden, nicht mit Willkürplanungen zugunsten Einzelner auf den Schultern Anderer. Wenn die Gemeinde will, optimiert sie mit dem „Urbanen Gebiet“ negative Parameter von Kern- und Gewerbegebieten bewohnerfeindlich zum Investorenglück. Nur wollen die Wenigsten in „urbanen Quartieren“ wohnen, denn „Grün“ ist die Farbe, die die Psyche sucht, nicht das Grau der Straße. „Ruhe“ dient der Rekreation, nicht Lärm von der Freischankfläche. „Urbane Dichte“, „funktionale und soziale Vielfalt“ sind Architektenträume aus den 80er Jahren, die schon damals mit Kopfsteinpflaster die Gründerzeit verklärt haben.

Also: die Baugesetzgebung behindert nicht Entfaltung von Qualität oder funktionierende Quartiere, sondern sie wäre Basis – wenn die örtliche Politik die Chancen ergreifen würde. Man braucht mehr Willen zur Anwendung. Bereits das geltende Baurecht verhindert inhumane Auswüchse, die aus persönlicher Freiheit und der vermeintlich freien Verfügbarkeit über Eigentum zwangsläufig entstehen – und die ursächlich für die in den letzten Jahrzehnten notwendigen Stadtsanierungen waren. Wollen wir durch Lockerung der Baugesetze die gleichen Fehler wiederholen?