Keynote:
Rainer Hofmann
Architekt und Stadtplaner in München
Vorsitzender BDA Kreisverband München-Oberbayern
Hohe Häuser werfen lange Schatten
München wird dichter! Viele Menschen wollen hier wohnen und arbeiten, aber nachdem die Flächen knapp und teuer sind – geht es in die Höhe.
Aber ist der Wunsch nach München zu ziehen oder in München wohnen zu bleiben nicht auch an die Gestaltqualität geknüpft, die unsere Stadt in sich birgt? Und laufen wir nicht Gefahr eben diese Qualität zu verlieren, wenn wir in die Höhe bauen?
Hohe Häuser werfen lange Schatten und sind von weither sichtbar.
Hohe Häuser haben naturgemäß einen sehr großen Wirkungskreis und eine große Nachbarschaft! In die Höhe zu bauen hat zur Konsequenz, dass viele Münchner davon betroffen sind.
Aus stadtplanerischer Sicht spricht erst einmal nichts gegen hohe Häuser an sich, diese gibt es ja bereits in München – nichts Neues also!
Aber neben einer Handvoll sehr feiner Beispiele, finden wir eben auch eine größere Anzahl von hohen Gebäuden, die von so geringer Qualität sind oder so schlecht platziert wurden, dass man unbedingt Anstrengungen unternehmen sollte, neue hohe Häuser besser zu planen und besser zu verorten.
Ich möchte hier aber noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion werfen, der mir in der ganzen Debatte um hohe Häuser sehr wichtig erscheint.
Hohe Häuser, die in einen niedrigeren Stadtkern integriert werden, schaffen quasi über Nacht privilegierte Lagen. Wer in einem Hochhaus wohnt, braucht sich über die Wirkung der Gestalt dieses Gebäudes wenig Gedanken zu machen, denn der Nutzer sieht es nicht! Er sieht aber alles um sich herum! Die gewachsene Stadt wird zur Kulisse derer, die über sie hinwegsehen können. Es entsteht gewissermaßen eine Projektion der Stadt auf die „Fensterleinwände“ dieser (wenigen) Bewohner der Hochhäuser. Dies muss man sich bewusst machen, wenn man sondiert, wen und was diese hohen Häuser beinhalten sollen.
Vielleicht sind richtig hohe Häuser im Kern einer Stadt wie München, die u.a. auch davon lebt, dass viele ihrer Quartiere noch wunderbar durchmischt sind, gar nicht das Richtige – nicht, weil das Stadtbild dies nicht verträgt, sondern weil diese Privilegien vielleicht gar nicht verhandelbar bzw. gewünscht sind…
Wenn man schlussendlich für diese hohen Häuser Inhalte und Nutzer findet, die der – auch sozial – durchmischten Stadt nicht entgegenstehen, dann lohnt es sich, die Fortschreibung der Hochhaus-Studie der Landeshauptstadt München aufzuschlagen – dort findet man eine sehr differenzierte Auseinandersetzung mit dem hohen Haus.
Hier wird der Stadt geraten, sich ausreichend Zeit zu nehmen, um abzuwägen. Man könnte daraus lesen, dass es wichtig ist, die Verantwortung für die Stadt und ihre Gestalt nicht abzugeben an die, die am lautesten schreien und das unabhängig davon, ob es die Rufe derer sind, die gegen jegliche Veränderung sind oder derer die sich versprechen, mit ein paar Geschossen mehr ein paar Millionen mehr zu verdienen.
Was dort nicht steht, mir aber mindestens genauso wichtig erscheint: man sollte vor Allem die Rufe derer ignorieren, die meinen, mit dem einen oder anderen hohen Haus Münchens Image aufpolieren zu müssen.
Denn vielleicht ist eine Stadt, die sorgfältig mit ihrem Erbe umgeht viel nachhaltiger als eine, die jeden letzten Schrei erhört!
Möglicherweise ist es aber vor allem weise, sich in diesen besonderen Zeiten Zeit zu nehmen. Zeit, für gute Entscheidungen und Zeit, für unsere Demokratie und ihre wunderbaren Prozesse!
Auszug aus dem aktuellen Entwurf zur Hochhausstudie München Stand: 21.01.2020, Verfasser: 03 Architekten GmbH im Auftrag des Referats für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München, Seite 89:
…’Hochhäuser sind ein besonderer Bautyp, mit einer besonderen Bedeutung für das Münchner Stadtbild. Die Realisierung von Hochhäusern geht mit einer hohen Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit einher. Ein mehrstufiger, verpflichtender Planungsprozess ist durchzuführen, um den hohen Anspruch an die städtebauliche Setzung* und die architektonische Qualität von Hochhäusern sicherzustellen sowie die gesellschaftlichen Interessen zu berücksichtigen. ‚…