Jakob Oberpriller

Architekt und Stadtplaner

Was ist schlecht daran, wenn in einer Erklärung gefordert wird veraltete und nicht mehr nachvollziehbare, weil überholte Reglementierungen, abzuschaffen und das Regelwerk auf die aktuelle Situation anzupassen um es zukunftsfähig zu machen.

Plötzlich gibt es eine ideologisch aufgeheizte Diskussion in der ganz andere Verursacher der gegenwärtigen Problemsituationen ausgemacht werden. Dabei wird oft auf die Immobilienwirtschaft verwiesen und auf den Verkehr.

Das mag alles richtig sein, aber es ist kein Argument gegen eine Erneuerung der Planungsgesetzgebung. Auch wenn diese Erneuerung vielleicht kein Allheilmittel darstellt und nicht alle vorhandenen Probleme lösen wird, so ist sie trotzdem längst überfällig und dringend nötig. Die Probleme, die wir heute im Städtebau haben wie z. B. monofunktionale und „monosoziale“ Stadtquartiere, kein städtisches Leben, sind zum großen Teil nicht nur von „bösen“ Investoren und Marktmechanismen verursacht, sondern sie werden durch das bestehende Planungsrecht und die Immissionsgesetzgebung juristisch zementiert. Das hat bereits dazu geführt, dass diese Regeln auch von den Bewohnern unserer Städte und Dörfer so verinnerlicht wurden, dass sie eingefordert und eingeklagt werden. Letztendlich entscheiden dann fachfremde Juristen über den Städtebau.

Was in der Diskussion auch auffällt ist, dass sich bei vielen Diskutanten alles um die Situation in wenigen „wachstumsgeplagten“ Großstädten dreht. Die Mehrzahl der Städte und Gemeinden hat diese Probleme der Wohnungsnot gar nicht. Hier geht es um Qualitätsverluste, die überhaupt nichts mit überhitzten Grundstücks- und Wohnungsmärkten zu tun haben. Im ländlichen Raum, in dem immer noch mehr als die Hälfte der Einwohner unseres Landes leben, geht es um Funktionsverluste der Ortskerne, um massive Qualitätsverluste im Lebensraum. Und es hat sehr wohl etwas mit der Planungsgesetzgebung und den Immissionsgrenzen zu tun, wenn beispielsweise in einem Dorf aufgrund der Aussiedlung oder der Betriebsaufgabe von Handwerks- und landwirtschaftlichen Betrieben sich das durchmischte Dorfgebiet in ein Wohngebiet umwandelt und dieser Prozess als Folge der Planungsgesetzgebung irreversibel ist. Stattdessen entstehen außerhalb des Ortes in der freien Landschaft nach BauNVO monofunktionale Wohn-, Gewerbe- und Sondergebiete für den Einzelhandel, die sich immer weiter in die Landschaft fressen.

Was spricht dagegen, Gebietskategorien wie das Kleinsiedlungsgebiet abzuschaffen, heute weiß sowieso kein Mensch mehr, was das sein soll. Oder welchen Sinn könnte es haben, ein reines Wohngebiet festzusetzen, auch das lässt sich nicht erahnen. Die Kritik an der Gesetzgebung betrifft auch das Baugesetzbuch mit dem §34, der in seiner juristischen Auslegung städtebaulich sinnvolle Nachverdichtung verhindert und – obwohl ursprünglich nicht für den Regelfall gedacht – doch zum Regelfall geworden ist, weil sich die Kommunen davor scheuen Bebauungspläne der Innenentwicklung aufzustellen. Die Kritik könnte man auch in das Bauordnungsrecht weiterführen, in die Landesbauordnungen. Wieviele räumlich gefasste und lebenswerte Dorfstraßen und Plätze in Dörfern und Kleinstädten wurden in den letzten 50 Jahren durch die Abstandsflächenregelungen der Bauordnungen unwiederbringlich zerstört.

Nein, man kann sich nicht nur auf Investoren oder den freien Markt oder den Autoverkehr herausreden. Es liegt schon auch an den nicht mehr passenden gesetzlichen Voraussetzungen und an deren Einklagbarkeit.