John Höpfner

Architekt und Stadtplaner

Die Düsseldorfer Erklärung befaßt sich mit Qualitätskriterien für die planerische Weiterentwicklung unserer Städte und leitet aus dem Leitbild der Europäischen Stadt die Forderung ab, die Baunutzungsverordnung BauNVO und die TA-Lärm zu reformieren. Gegenüber anderen Konzeptpapieren, beispielsweise der ‘Leipzig Charta’, ist sie sehr kompakt und plakativ gehalten, viele Aspekte, die soziale und gesellschaftliche Belange einer vielfältigen, lebendigen Stadtgesellschaft betreffen, sind ausgeblendet worden. So erscheinen die fünf Voraussetzungen für einen gelungenen Städtebau zunächst völlig sehr klar, nachvollziehbar und unstrittig, stellen allerdings bei genauerer Auseinandersetzung nur einen sehr allgemeinen und nicht vollständigen Hintergrund dar. Kriterien wie etwa Bodenrecht, sozialgerechte Bodennutzung, Ökologie, Verkehr oder Infrastruktur bleiben unberücksichtigt.

In der Erläuterung der fünf Voraussetzungen wird ein einseitiger und auch nicht weiter begründeter Bezug auf ein Bild der Europäischen Stadt genommen, der sich auf Innenstadtsituationen (Dichte) und gründerzeitlichen Städtebau (‚der private Blockinnenraum‘) bezieht und ein Bild von Häusern und Freiräumen postuliert, die ‚vorne‘ und ‚hinten‘, ‚öffentlich‘ und ‚privat‘ unterscheiden. Der Nachweis, warum gerade diese Bilder richtig und gegenüber anderen Ansätzen als geeigneter erscheinen, warum ‘der private Blockinnenraum’ und ein Block erforderlich sein soll, bleibt aus. Eine Darstellung und Anerkennung all der vielfältigen, kreativen und erfolgreichen stadtplanerischen Reformbestrebungen, die auf die Gründerzeit mit ihrem Grundmuster der Blockbebauung gefolgt sind, fehlt. Zudem scheint sich die Erklärung mit diesen Inhalten auf Innenstadtbereiche zu beziehen, weniger auf die Peripherie, die Zwischenstadt, oder den ländlichen Raum.

Persönlich hätte ich mir in der Argumentation eine fein abgestufte Differenzierung gewünscht, ‘halb-öffentlich’, ‘gemeinschaftlich’ oder ‘halb-privat’. In einer Gesellschaft des Teilens, des Miteinanders, von ‘home-office’ und ‘Co-working’ wäre das vorwärtsgewandt und logisch. Das enge Miteinander benötigt Regelungen, die weniger auf eine rigorose Trennung ausgerichtet sind.

In der Argumentation und der Fokussierung auf gründerzeitliche Qualitäten wird auch ausgeblendet, dass es unter anderem Misstände aus der Gründerzeit waren, die zu den Festlegungen in einer BauNVO oder TA-Lärm geführt haben.

Das ist schade, denn eine Weiterentwicklung der rechtlichen Grundlagen auf die veränderten Anforderungen und Möglichkeiten unserer Zeit hin, ist ja durchaus sinnvoll. Besonders die TA-Lärm wäre hier zu nennen. Hier besteht über eine Vereinfachung viel Potential für mehr Durchmischung, mehr Miteinander im Quartier und Einzelgebäude. Möglich ist dieses durch eine veränderte Arbeitswelt, andere Emissionen, andere technische Qualitäten von Bauteilen und vielleicht auch eine neue Toleranz gegenüber manchen Emissionen. Diese zeitgemäßen Aspekte sind jedoch völlig unabhängig von der Gründerzeit und den gestalterischen Festlegungen der fünf Voraussetzungen.

Bei der BauNVO würde ich mir wünschen, dass es mehr ‘urbane Gebiete’ gibt, aber auch Augenmaß in der Anwendung. Es braucht zudem auch Werkzeuge um Missbrauch von Spekulanten und Investoren entgegenzuwirken. Der gegenwärtige Bauboom zeigt ja deutlich auf, wie schmerzfrei und renditeoptimiert manche zu Lasten der Allgemeinheit vorgehen. Eine völlige Aufhebung von Dichteobergrenzen sollte daher nicht das Ziel sein.

In dieser Hinsicht begrüße ich den Anstoß zu einer Überarbeitung von TA-Lärm und BauNVO, wünsche mir aber eine zeitgemäße und differenzierte Auseinandersetzng mit Kriterien und Zielen.