Prof. Andreas Hild

Architekt, München, Berlin

Das Bauen mit Modulen ist vermutlich so alt wie das Bauen selbst. Was sich im Laufe der Jahrhunderte verändert hat, ist allein die Größe der Module. War bereits der erste Backstein ein industriell erstelltes Modul, das handwerklich verarbeitet wurde, so ist ein Container ein ganzer Raum, der industriell hergestellt und mit anderen Elementen zu einem Haus kombiniert wird. Dieses Vorgehen erscheint wirtschaftlicher, schneller, universeller anwendbar als andere Bauweisen. Spricht da etwas dagegen?

Den wirtschaftlichen Vorteilen einer Massenfertigung großer Einheiten steht als Nachteil deren mangelnde Flexibilität gegenüber. Je größer das Modul, desto geringer dessen Anpassungsfähigkeit an individuelle Gegebenheiten. Industriell oder halbindustriell erzeugte Einheiten können nach der Fertigung kaum mehr handwerklich beeinflusst werden. Der ökonomische Gewinn, welchen die industrielle Reproduzierbarkeit des Gebauten mit sich bringt, kehrt sich deshalb um, sobald das Modul systematische Schwächen hat. In der Praxis explodieren daher ab einem bestimmten Punkt die Unterhaltskosten. Vor diesem Hintergrund können die zahlreichen bisherigen Versuche, mit vorgefertigten Containern zu arbeiten, als gescheitert gelten. Schwer zu sagen, ob das im vorliegenden Falle anders sein wird.

Ich vermute aber, dass das Misslingen des industriellen Häuserbaus systematischer Natur ist. Systematischer Natur deshalb, weil sich ihm der tatsächliche Lebens- und Gebrauchszyklus von Gebäuden aus oben genannten Gründen widersetzt. Die Automobilindustrie hat es mit Abermillionen von produzierten Fahrzeugen und annähernd 100 Jahren Erfahrung unter großer Mühe zu einer durchschnittlichen Produktlebensdauer von 12 Jahren gebracht.

Lassen wir einmal die Erfahrung und die Stückzahl weg: Selbst wenn wir es schaffen könnten, die Lebensdauer der Containergebäude gegenüber der von Autos zu verdoppeln, dann bliebe es bei 24 Jahren. Dies dann noch kombiniert mit schon vom Vergaberecht vorgegebenen unterschiedlichen Generalanbietern, die ihre jeweiligen Eigenentwicklungen einbringen, ermöglicht aus meiner Sicht keine nachhaltige Wirtschaftsweise, weder in ökonomischer noch in ökologischer Hinsicht.

Jenseits solcher Überlegungen ist eine andere Frage für die aktuelle Debatte zentral, nämlich: Welches Bild von Schule liegt dem Konzept der Stadt München zugrunde? Eine industrielle Massenfertigung von Gebäuden ausgerechnet im Bildungssektor zu versuchen, scheint mir weder technisch noch didaktisch geboten. Ich ließe mich aber gerne überraschen: Falls in den entindividualisierten Schulen wirklich ein individuellerer Unterricht stattfinden sollte, soll mir das Recht sein. Für wahrscheinlich halte ich es allerdings nicht…

2 Gedanken zu „Prof. Andreas Hild“

  1. Das Thema der Modularität ist schon fast so alt wie die Architektur selbst und scheint tief verwurzelt zu sein. – Wie schon von Herrn Hild erwähnt, birgt sie Vor- und Nachteile, auf die man immerzu eingehen kann. Hier trifft schnell, einfach, günstig auf den Umgang mit dem Material, nah an der Monotonie und der schwierigen Flexibilität der Nutzung. Wobei ich denke, dass ein intensives Auseinandersetzen mit dem Modul auch Lösungen hierzu liefern kann. Jedoch ist die Gefahr groß, dass alles gleich oder zumindest ähnlich aussieht und sich die Architektur von Normen der Industrie, der Produktion leiten lässt, und nicht vom Architekten.

    Dabei muss sich das Modul den Bedürfnissen anpassen und nicht anders herum. – Architektur darf sich nicht zu einem Industrieprodukt entwickeln, sondern muss eigenständig und auch einzigartig bleiben. Denn sonst befinden wir uns allzu bald in einer Monotonie von Bauten, die die Fähigkeiten, Architektur zu bewerten erschlagen. Kurz: Architektur ist wie der Mensch, er will auch keine Zahl / keine Nummer sein, sondern ein Individuum. So will sich auch Architektur beweisen und gerade die Einzigartigkeit eines Menschen zeigen. Architektur ist und bleibt damit am Ende des Tages eine Entscheidung, die ein Mensch aus ästhetischen Gründen trifft. Und Ästhetik ist und bleibt anders, durch unterschiedlichste Perspektiven entsteht nie das gleiche Bild. Jeder nimmt im gleichen Bild etwas anderes wahr.

    Ein kleiner Exkurs:

    Zu Beginn des 19. Jahrhundert waren wir fasziniert von den schier unendlichen Möglichkeiten der Technik, waren auf einem Zug, der nicht mehr stoppt, immer geradeaus, ohne zu sehen, wo wir hinfahren, oder von wo wir kamen. Wir bauten und entwickelten uns stetig weiter, doch auch hier kam der Zeitpunkt, in der „alles“ gleich aussieht, ein Stillstand, geprägt vom industriellen Zeitalter. Eine Gruppe in der Arts & Crafts Bewegung sehnt sich zurück nach alten Traditionen, das Handwerk wird wiederentdeckt. In den folgenden Jahren entstehen aus ihr neue Architekturrichtungen, weg von der scheinbar „einseitigen“ Architektur. Es kommt wieder zur Wiederentdeckung der Baukunst. Auch heute hält die Arts & Crafts Bewegung an, jedoch wird sie immer kleiner. Wir scheinen heute fast festgefahren zu sein. Alles muss schneller sein und wir nehmen immer alles wahr, starren auf das Handy und wenn wir etwas Schönes sehen, so müssen wir es teilen. Nicht aus Gefallen anderer, sondern aus Interesse an einem selbst, um zu zeigen, wo wir waren, was wir gemacht haben. Wir wollen alles reproduzieren können und sind eine Nation geprägt von der Industrie, obwohl wir es gar nicht sagen wollen. Wie viele Möbel haben Sie noch Zuhause stehen, die handgemacht sind?

    Damit bin ich nicht konsekutiv gegen die modulare Vorgehensweise, jedoch müssen wir uns bewusst sein, wie wir mit ihr umgehen können. Es kann als ein Aufruf verstanden werden, sich intensiver mit der Architektur und den Baustrukturen auseinanderzusetzen. Man schaue sich doch nur die Plattenbauten in Ostberlin an. Auch hier können große Qualitäten gefunden werden, so kann man nicht grundsätzlich sagen, dass der Plattenbau in der modularen Vorgehensweise schlichtweg schlecht ist, auch hier können große Qualitäten gefunden werden. Man schaue sich beispielsweise den „recycelten Plattenbau“ von Muck Petzet in Hoyerswerda an, oder auch die Unite d‘habitation von Le Corbusier. Ebenso denke ich, dass man auch in Schulbauten gut mit dem Material der „Platte“ umgehen kann.

    Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen.

  2. Ein schöner Kommentar und eine interessante Antwort von LE. Tatsälich ist die „Platte“ wunderschön. Es geht darum was wir Architekten daraus machen!

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