Der klassische Heimatbegriff könnte ausgedient haben. Die Pflege der Geschichte, der Landschaft und der Denkmäler sind ins Hintertreffen geraten. Unkritische Technik- und Machbarkeitsgläubigkeit ersetzen im politischen Diskurs die Diskussion von Werten und Zielen.
In Bayern wurden im Jahr 2012 jeden Tag 17 Hektar in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt. Während Gewerbegebiete und öde Siedlungen den Lebensraum füllen, verschwinden die Denkmäler und Ensembles, die Garanten für das kollektive Gedächtnis. Parallel zur Zersiedelung schreitet der von der Agrar-Industrie verursachte Ruin des Bodens, des Grundwassers und der Lebensräume von Pflanzen und Tieren. Die uferlose Baulandausweisung lässt die Ortskerne sterben. Der öffentliche Raum verkommt; neues Pflaster, hübsche Brunnen und schicke Straßenmöbel bleiben hilflose Versuche, die Vitalität zu retten.
Technokratische Patentrezepte, beispielsweise Gewässerregulierung, Autogerechte Stadt und Flurbereinigung, haben den Lebensräumen immer geschadet. Die Energiewende ist das Patentrezept von heute. Begriffen wie Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung tarnen massive kommerzielle Interessen. Die Schönheit der Schöpfung wird skandalös gegen die Zukunft der Menschheit ausgespielt, und Naturschützer tun beim Verrat der Natur mit, wenn sie den unkontrollierten Ausbau von Windkraftanlagen in Landschaftsschutzgebieten dulden. Die unterdrückten Frage ist: Heißt Energiewende nur, einen ständig steigenden Energiebedarf auf eine andere, vorgeblich regenerative Art zu decken? Oder geht es auch um die Veränderung unserer Lebensweisen und Ansprüche?
Statt die problematische Entwicklung unserer Lebensräume ehrlich zu analysieren und Konsequenzen zu ziehen, verdrängen und kompensieren wir die Verluste: Wo geschlossene Ortsbilder reihenweise verschwinden, bleiben Traditionsinseln stehen, und einzelne Häuser werden zu Museumsobjekten präpariert. Wenige Objekte werden, werbewirksam ausgezeichnet mit internationalen Etiketten, zu Orten des Massentourismus und allmählich zu dessen Opfern.
Das Bild vom liebenswerten Bayern ist auf dem Weg zum doppelten Klischee des alpenschönen Hightech – Landes. In der Wirklichkeit entspricht diesem Klischee nur mehr die Schönheit ausgesuchter Ausschnitte und ausgesuchter Blickwinkel: Postkarten-Idyllen. In der Diskussion um die Gestaltung unseres Lebensraums müssen wir wieder über Werte wie Schönheit und Geschichte reden. Stattdessen beherrscht die Rede vom ewigen Wachstum die Szene. Von dessen Qualität, Steuerung, Gestaltung, sozialer und ökologischer Verträglichkeit hört man wenig. Im Wachstumsrausch werden leider Regeln und Errungenschaften preisgegeben, die in Jahrhunderten erdacht und erkämpft wurden: Stadtplanung, Landschaftsschutz, Naturschutz, Denkmalschutz. Bedenken wir wieder: Regeln erst schaffen Zivilisation. Der Verzicht auf solche Regeln bahnt den Weg zurück in die Dritte Welt.
Endlich mal jemand, der die Wahrheit mutig ausspricht. Meine vollste Zustimmung. Mehr davon!