Prof. Dr. Sören Schöbel

Technische Universität München, Fakultät für Architektur, Professur für Landschaftsarchitektur regionaler Freiräume LAREG, Freising

Gesellschaftsvertrag zur Landschaft – Die Europäische Kulturlandschaft ist von Zerstörungen geprägt, wie es in der Europäischen Stadt inzwischen undenkbar wäre. In Alltagslandschaften werden Landnutzung, Straßen, Siedlungen, Gewerbe nicht behutsam integriert, sondern struktur- und maßstabsprengend, nur eigenen Regeln folgend, ‚totalsaniert‘.

Dies liegt am deutschen Landschaftspflege-Paradigma, das exkludierend zwischen wertvoller Landschaft und „Normallandschaften“ unterscheidet. Nur: im demografischen Wandel und dem der Landnutzungen ist der Fortbestand von Besiedlung strukturschwächerer Regionen an die beiden Faktoren Arbeit und Landschaftsqualität gebunden. Land muss deswegen überall für eine moderne Lebensstile und entsprechende Bedürfnisse entwickelnde Bevölkerung attraktiv sein, wie auch für Zuwanderer. Land muss, wie Stadt, ökologische Stabilität und Vielfalt, soziale Integrationsfähigkeit und kreative Innovationskraft entfalten.

Für die Europäische Stadt wurde seit den 1970er Jahren ein neuer Gesellschaftsvertrag zu ihrer behutsamen Erneuerung und kritischen Rekonstruktion formuliert. Angesichts der Umbrüche in den ländlichen Räumen und im Verständnis einer Gleichwertigkeit von Lebensbedingungen ist ein ähnlicher Vertrag zur Europäischen Kulturlandschaft überfällig.

So wie Parzelle, Block, Hof und Straße in der Europäischen Stadt braucht es auf dem Land ‚permanente’, d.h. über Funktionswandel hinweg wirksame Strukturelemente, die nicht nur als Objekte zu schützen sind, sondern auch als Strukturgeber oder Stimulanzien für heutige und künftige Nutzungen kritisch rekonstruiert oder behutsam erneuert werden können, indem aus ihnen Grundrisse der Landnutzung und der Raumverfügung verhandelt sowie verbindliche Parameter von Maß und Mischung abgeleitet werden. Dies sind: Morphologien der Naturlandschaft, Flurformen, alte Siedlungs- und Betriebsformen, Wegeformen und Gewässerformen. Dabei sind insbesondere solche Strukturen zu aktivieren, die die Kulturlandschaft Mitte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts prägten, weil sie die bis dato größte Vielfalt hervorgebracht hat. Ein solcher Vertrag würde baurechtlich durch die Mischgebiets-Kategorie Rurales Gebiet umgesetzt, in der so viele und verschiedene Menschen wie möglich von oder mit einer Landnutzung leben können. Eine umkehrende Flurneuordnung schafft ökonomisch tragfähige aber differenzierende Landschaftsstrukturen.

Die Zukunft der Kulturlandschaft ist also eine dialogische und strukturelle, weniger eine Gestaltungsfrage.