Prof. Mark Michaeli

Architekt und Städtebauer, München

Zwischen Stadt und Land bleibt das Suburbane schwer einzuordnen. Während manchem die Kleinteiligkeit und Durchgründung der Strukturen zur Argumentation einer Nähe zu ländlichen Siedlungsformen dient, verweist der Begriff „suburban“ zweifellos auf die untergeordnete Anhängigkeit des Phänomens zu urban geprägten Lebensstilen, Funktions- und Raumstrukturen. Mag aus individueller Sicht daraus zunächst eine verheißungsvolle Mischung aus Qualitäten beider Extreme entstehen, offenbart spätestens die gebündelte Betrachtung aller dieser Einzelinteressen einen entscheidenden Mängel suburbaner Siedlungsräume: Das Gemeinsame, das der Identifikation dienende, kommt zu kurz. Es wird vermisst in der Abwesenheit von qualitätvollen Räumen der Öffentlichkeit ebenso wie im Entsetzen über die in trivialer Partikularlogik für Siedlungszwecke verwertete Landschaft. Häufig argumentiert bedeutet diese räumliche Entwicklung die Entäußerung jener Qualitäten, welche den Antrieb zum ursprünglichen Siedlungsentscheid gaben. Desillusioniert bleibt nicht selten der Rückzug in nur individuell überblickbare und umzusetzende Projekte, somit ins selbst zu kontrollierende Idyll, die eigene Scholle übrig.

Mit Glück sind von dort bei klarem Wetter die Sehnsuchtsorte des Zugspitzmassivs oder die allgegenwärtigen zwiebelförmigen Kirchtürme, mit denen das Gesicht Bayerns nach außen – durchaus erfolgreich – beworben wird, am Horizont erkennbar. Im Lebensalltag aber sind diese Orte unendlich fern. Das Nahe hingegen wird zunehmend unansehnlich. Die Hinnahme dieses Phänomens in der (gesellschafts-)politischen Diskussion kann nur erstaunen. Wird doch ein nicht zu vernachlässigender Teil politischer Argumentation im Freistaat auch auf der aus Bodenständigkeit und Identifikation mit dem konkreten Lebensumfeld gewonnenen Stärke abgestützt. Während Bayern sowohl im ländlichen Raum als auch in den Städten allerdings bereits über etablierte und ständig weiterentwickelte Werkzeuge und Verfahren der der Verbesserung der Lebensumfelder verfügt, klafft im „Dazwischen“ – nicht Stadt, nicht Land – eine große Lücke. Bedauerlicherweise wird diese auch nicht zu füllen sein, wenn nicht grundlegende Aspekte etablierter Landesentwicklung infrage gestellt werden, wie von Fachleuten vermehrt vehement eingefordert. Die Raumproduktion in den suburbanen oder zwischenstädtischen Bereichen stellt als sich wesentlich komplexer da, als es jede „einfache“ Novellierung eines Systems der zentralen Orte abzubilden vermag, die Prozesse der räumlichen Entwicklung wollen sich hier nicht an die Zuschnitte administrativer Räume halten und setzen als Grenzeffekte zerstörerische Kräfte frei.

Man kann nun kaum behaupten, diese Phänomene seien in Bayern unbekannt. Die mit der räumlichen Entwicklung befassten Verwaltungen sind sich der fachlichen Herausforderung längst bewusst. Allein, im Umgang mit den vor- und zwischenstädtischen Siedlungsformen fehlt offensichtlich jener politische Mut, welchen unsere Nachbarn zum Beispiel in der Schweiz oder Frankreich aufbrachten, als sie erkannten, dass allein die regionale, doch aber lokal verankerte Integration und Diskussion jenen Zuschnitt bieten kann, räumliche Phänomene in Agglomerationen sinnstiftend beeinflussen zu können, indem unproduktive Konkurrenzen aufgelöst, mögliche Synergiepotenziale erschlossen wurden, dadurch Mittel für die Qualifizierung des Raumes ausgelöst werden konnten, welche bis anhin unproduktiv gebunden waren. Dies erklärt einerseits, warum die als freiwillige, dennoch verbindliche und selbstverpflichtende Anreizsysteme konzipierten Programme sich längst als ergänzende Querschnittsinstrumente etablieren konnten. Andererseits konnte ermutigend beobachtet werden, wie groß das Interesse von Spezialisten und Laien aus der Region war und ist, an diesem durchaus anstrengenden, doch konstruktiven Findungs-, Erarbeitungs- und Koordinationsprozess teilzuhaben, in gemeinsam vereinbarten Grundlagen und Zielen der räumlichen Entwicklung Orientierungsmarken zu setzen, um mit Sorgfalt und Umsicht das Gesicht des eigenen Lebensumfeldes attraktiv und nachhaltig weiterzuentwickeln.