In der Nürnberger Weststadt vollzieht sich ein massiver Strukturwandel. Mit der Betriebseinstellung von Firmen wie Triumph-Adler, AEG und Quelle gingen in den Jahren 1993, 2007 und 2009 mehrere tausend Arbeitsplätze in diesem traditionell industriell geprägten Gebiet verloren.
Die Stadt Nürnberg hat hierauf umfassend und schnell reagiert. Die Weststadt wurde als Stadterneuerungsgebiet ausgewiesen. Mehrere Referate und Dienststellen der Stadtverwaltung haben in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, Eigentümern und Stadtteilinitiativen zusammengewirkt und seit 2008 im Rahmen des koopstadt-Prozesses das Gebietsteam Weststadt etabliert. Dieses hat bewusst einen Bottom-up-Ansatz über konkrete Projekte und die Suche nach neuen Allianzen innerhalb der Verwaltung und mit Partnern und Partnerinnen vor Ort gewählt. Neben den konzeptionellen, auf den Stadtraum und städtebauliche Aspekte bezogenen Bausteinen wurde 2009 mit einer Geschichtswerkstatt und der daraus entstandenen Broschüre „Strukturwandel West“(1) ein wesentlicher Schritt für den offensiven Umgang mit der Vergangenheit und für ein neues Selbstverständnis in der Weststadt gemacht.
2010 und 2011 wurden durch das Gebietsteam eine große Zahl an Machbarkeitsstudien auf den Weg gebracht und die Beteiligung vor Ort forciert, hierbei entstanden verschiedenste Partizipationsformen, die eine Einbindung der Akteure und Nutzer vor Ort ermöglichten. Seit 2011 wurden verstärkt Ideenfindungsprozesse vor Ort angestoßen sowie zwei Aktionstage durchgeführt. Das ExWoSt-Projekt „Beteiligung von Migranten und Migrantenorganisationen in Prozessen der Stadterneuerung und Stadtteilkommunikation“ hat Hinweise geliefert, inwieweit es gelingen kann, Migrantenvereine und –organisationen in die laufenden Prozesse einzubinden.
Seit der Insolvenz des Traditionsunternehmens Quelle im Jahr 2009 gab es für das ca. 11 ha große Areal und das denkmalgeschützte Quellegebäude (weiter in Privatbesitz) von Ernst Neufert zunächst keine umfassende Folgenutzung, was bei einem Objekt mit 260.000m² BGF nicht verwundern sollte. Die Stadt Nürnberg hat 2011 einen Realisierungswettbewerb (für die Randbereiche) und einen Ideenwettbewerb (für das Hauptgebäude) durchgeführt. Die Ergebnisse lieferten die Grundlagen für die künftigen planerischen Entwicklungen und flossen auch in das vom Stadtrat 2012 einstimmig beschlossene Integrierte Stadtentwicklungsonzept – INSEK – Weststadt ein.(2)
Ein von der Stadt mit initiiertes und finanziertes, interdisziplinäre Forschungsprojekt der Technischen Universität München „Stadtlabor Weststadt“ lieferte weitere wichtige Erkenntnisse.(3)
Auf der anderen Straßenseite der Fürther Straße, im ehemaligen AEG-Werk, waren die Prozesse schneller: 2012 wurde der Stadt und dem Projektentwickler MIB der Nationale Preis für integrierte Stadtentwicklung und Baukultur in der Kategorie Gebäude und Stadtraum für das Projekt „Auf AEG – vom Industrierevier zum lebendigen Stadtquartier“ überreicht.(4)
Für das Quelleareal wurde 2013 ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet, hierbei wurden die wichtigsten Entwicklungsziele planungsrechtlich abgesichert.(5) In den folgenden Jahren hat sich der Nürnberger Stadtrat mehrfach und intensiv mit der Entwicklung der Weststadt und des Quelleareals auseinandergesetzt, so z.B. 2015, bei dem die Verwaltung einen umfangreichen Zwischenbericht vorgelegt hat.(6)
Für die Quellerandflächen wurden zwischenzeitlich durch einen regionalen Bauträger Bauvoranfragen für eine Wohnbebauung mit einem erheblichen Anteil geförderter Wohnungen eingereicht. Die Stadt hat den ehemaligen Parkplatz der Fa Quelle erworben. Hier wird nach einem umfangreichen Bürgerbeteiligungsprozess in den nächsten Jahren ein Park zur Freiraumversorgung der Bevölkerung angelegt. Weiter Projekte, wie der Umbau und die Erweiterung einer Grünanlage mit Spielplatz, die Errichtung einer Kulturwerkstatt (Planung Anderhalten Architekten, Berlin), der Bau eines Kinder- und Jugendhauses mit Aktivspielplatz und weitere Projekte wurden umgesetzt oder sind kurz vor Fertigstellung. Für das AEG Gelände wurden erfolgreiche (Zwischen-) Nutzungen, insbesondere aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft etabliert. Bis zum Ende des Jahres 2015 war das auch in Teilen des Quellegebäudes der Fall. Im Rahmen einer Zwangsversteigerung fand 2015 das Objekt einen neuen Eigentümer. Dieser hat das Büro Kister Scheitauer Gross mit der Objektplanung beauftragt. Prof. Kister, Vorsitzender der Ernst Neufert Stiftung, hat den Stadtrat und die Nürnberger Öffentlichkeit umfangreich über den Stand der Planungen informiert.
Versucht man die Situation zusammenzufassen, stellt man schnell fest, dass dies nicht in wenigen Zeilen gelingt, hierzu ist sie viel zu komplex. Dennoch mag die sehr verkürzte Zusammenstellung aufzeigen, dass die Stadt Nürnberg sich intensiv mit der Thematik des Stadtumbaus beschäftigt und frühzeitig eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen hat und der Strukturwandel in der Westadt nicht allein auf das Quelleareal reduziert werden kann.
Ein Abbruch des Quellegebäudes ist allein schon aus Gründen des Denkmalschutzes auszuschließen. Eine sinnvolle, dem Gebäude angemessene Nachfolgenutzung, die einen weiteren Baustein einer urbanen Transformation der Nürnberger Weststadt darstellt, braucht Zeit und macht zudem – leider – viel Arbeit.
(1) https://kuf-kultur.nuernberg.de/fileadmin/bilder_allg/muggenhof/Geschichtswerkstatt/KUF_Weststadt-1901bis1945-neu24-2.pdf
(2) https://www.nuernberg.de/imperia/md/stadtplanung/broschueren/broschuere_insek_weststadt-nbg_201206.pdf
(3) https://www.nuernberg.de/imperia/md/stadtplanung/broschueren/broschuere_stadtlabor_nuernberger_weststadt_stadtlabor_2013.pdf
(4) http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/BMVBS/Sonderveroeffentlichungen/2012/StadBauenStadtLeben.html?nn=396400
(5) https://intranet-apps2.stadt.nuernberg.de/ErisIntern/ResearchPanel/proceed?action=select&meetingId=3280&agendaItemId=37161
(6) https://intranet-apps2.stadt.nuernberg.de/ErisIntern/ResearchPanel/proceed?action=select&meetingId=4091&agendaItemId=52841
Schade, dass eine solche Immobilie nicht abgerissen werden darf, weil sich einige wenige daran klammern. Wie immer wird in unserem demokratischen Gemeinwesen von wenigen Strippenziehern entschieden, was wir Bürger zu glauben und anzunehmen haben. Es wird Zeit für eine grundlegenden Wandel, der eine solche Arroganz der Macht nicht durchgehen lässt. Der Sinn der Wirtschaftsruine ist weg, damit ist dieser hässliche Klotz überflüssig. Wie viel Platz für dringend benötigten Wohnraum würde hier frei werden, noch dazu in einer gut erschlossenen innerstädischen Lage!
Fazit: Weg mit der Ruine!
Das Gebäude ist unbestreitbar ein Stück Stadtgeschichte. Eine derartige Gebäudestruktur bietet die die Möglichkeit, alle nur denkbaren Nutzungenaufzunehmen, ohne seinen Charakter zu verlieren und damit die Stadt ein Stück seiner Geschichte.
Die neuen Nutzungen bekommen durch den Erhalt der prägenden Gebäudestruktur eine eigene Identität und laufen nicht in Gefahr identitätslose Neubauten zu werden.Es sind mit Verlaub auch nicht „Wenige“, die sich für den Erhalt des Gebäudes stark machen, sonderen sehr viele, vermutlich sogar die Mehrheit der Bevölkerung. Es sind alle die, die wissen, welches Potential ein solches Gebäude für neue Nutzungen bieten kann. Es gibt viele Vorbilder für derartige identitätsstiftende Umbauten. Wohnen in der Sargfabrik in Wien, Wohnen in der Paketposthalle Nürnberg, Einkaufszentrum Borsigwerke Berlin, divere Umnutzungen ehemaliger Zechen im Ruhrgebiet, uvm.
Ein Studium lohnt sich, bevor man pauschal einen Abriss fordert.
Wie immer wird hier über das Gesicht der Stadt von Menschen entschieden, die hier nicht wohnen und leben. Gleichzeitig wird den Einwohnern der Stadt ein Umfeld aufgezwungen, welches viele vermutlich nicht wollen. Es entscheidet wieder einmal Kapital und die üblichen politischen Strippenzieher. Wundert sich noch jemand über die politische Entwicklung in diesem Land?