Es ist natürlich schwer vorauszusehen, welchen Weg die Pädagogik in den nächsten 20 bis 30 Jahren einschlagen wird. Die bisherige Entwicklung des Schulbaus ist seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert von einer Sozialisierung geprägt. Er hat sich vom Elitären hin zu einer offenen Schule für alle entwickelt. Dabei handelt es sich meistens um öffentliche Bauaufgaben und insofern ist es entscheidend, dass die Baukultur eine übergeordnete, verpflichtende Rolle bei der Betrachtung des Schulbaus spielen sollte.
Wenn wir davon ausgehen, dass Schule heute jedem zugänglich sein sollte, nicht entfremden, nicht ausgrenzen und nicht beängstigen sollte, so ist es schlüssig, sich von den elitären „Bildungsburgen“ des ausgehenden 19. Jahrhunderts abzuwenden. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich eine starke Demokratisierung und auch das Grundprinzip des Egalitären durchgesetzt.
Der Unterricht selber hat sich in ähnlichen Zyklen einer Demokratisierung entwickelt, weg vom klassischen Prinzip des Frontalunterrichts hin zu anderen Formen: zum Gruppen-, zum Projekt-, und zum selbstgestalteten Unterricht. Insofern müssen die Schulräume und ihre Anordnung flexibel gestaltet sein. Jede denkbare Unterrichtsform sollte in Zukunft möglich sein.
Im 20. Jahrhundert haben verschiedene Reformschulen von sich reden gemacht: die Waldorfschulen, aber auch Summerhill, Montessori und ähnliche Schulformen, die auch immer bzw. oft eine eigene, besonders geprägte Architektursprache hatten. Nicht zuletzt hat sich diese Sprache durch gewisse Unterrichtsformen entwickelt, zum Beispiel die Montessori-Schule, die neben den Klassenräumen Gemeinschaftsbereiche hat, die für den individuellen und den Projektunterricht geeignet sein sollten.
Diese Art des Unterrichts, die Clusterbildung, wird nun auch mehr und mehr von Schulen in öffentlicher Trägerschaft verfolgt. Schon allein hier ist erkennbar, dass natürlich neben den üblichen Schwankungen, zum Beispiel in den Klassengrößen und in der Lehrerverfügbarkeit ein Experimentieren mit verschiedenen pädagogischen Konzepten eine hohe Flexibilität im Schulbau verlangt.
Entscheidend ist jedoch nach wie vor, dass der Schulbau für die Kinder erkennbare kulturelle Werte haben muss, dass er architektonisch anspruchsvoll gestaltet sein muss, dass er Kindern ein Heim bietet, in dem sie aufwachsen in dem Bewusstsein, dass ihre Schule nicht nur Ort des Lehrens und des Lernens, sondern auch eine kulturelle Heimat ist. Das ist gerade deshalb besonders wichtig, weil die Verweildauer in der Schule ständig zunimmt und Elternaufgaben wie u.a. die Versorgung hierher verlagert werden. Rückzugs- und Ruhebereiche, Räume für Frühstück und Mittagessen fördern darüberhinaus die Kommunikation untereinander. Schule ist zunehmend zum Lernort für soziale Kompetenzen und Integration geworden.
Die Pädagogik und somit auch der Schulbau waren noch nie Ziel von Revolutionen, sie waren eher Gegenstand von Evolutionen. Die verschiedenen pädagogischen Richtungen und Schulkonzepte waren jedoch immer einer Entwicklung oder einer Wandlung unterzogen, angetrieben durch gesellschaftliche Entwicklungen. So sollte es auch der Schulbau halten: Er sollte den kulturellen, gesellschaftlichen, pädagogischen und den kindespsychologischen Entwicklungen nicht nur folgen können, sondern diese ermöglichen und fördern.
Schüler brauchen gleichmässig viel Tageslicht, Raum und eine inspirierende, aber auch möglichst neutrale Umgebung. Außerhalb dieser Bedingungen haben wir als Architekten bei der Gestaltung von Schulen also recht viel Freiraum und die gerade in der Gestaltung von Farbe, Raum, Licht und Raumprogramm. Ich stimme also hier Herrn Behnisch vollkommen zu, wenn er über die zunehmende Anforderung von kulturellen Werten im Schulbau spricht. Pädagogik und Schulbau sind tatsächlich kein Ziel von Revolution, sondern lediglich Ergebnis und Entwicklung innerhalb eines allgemeinen Lehrwandels.