20. Juli 2016

Zerstört sich Nürnberg selbst?

Die Zukunft des Quelle-Areal – oder die Frage nach der idealen Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und privatem Kapital für eine menschengerechte und lebenswerte Stadtplanung.
Seit der Insolvenz 2009 steht das Quelle-Gebäude im Westen Nürnbergs (1955–1958, Architekt: Ernst Neufert) leer und unter Denkmalschutz, die Zukunft des Gebäudes ist ungewiss. (Foto: Gerhard Hagen, Bamberg)
Seit der Insolvenz 2009 steht das Quelle-Gebäude im Westen Nürnbergs (1955–1958, Architekt: Ernst Neufert) leer und unter Denkmalschutz, die Zukunft des Gebäudes ist ungewiss. (Foto: Gerhard Hagen, Bamberg)

Was war?
Das Quelleversandhaus wurde in verschiedenen Bauabschnitten ab 1954 durch den Architekten Ernst Neufert für den Quellekonzern als Versandgebäude errichtet. Durch die prägenden Fensterbänke sollte der Warenfluss von außen sichtbar sein. Die Logistik im Haus war weltweit einzigartig modern.

Was ist?
Seit der Insolvenz des Konzerns steht das Gebäude mit Ausnahme der Nutzung einiger Flächen von der Kreativszene überwiegend leer. Es ist an der Fürther Straße prägend für die Weststadt Nürnbergs. Das Haus ist ein Baudenkmal, eine Ikone des Wirtschaftswunderlandes Deutschland, es ist mit rund 250.000 m² die zweitgrößte leerstehende Immobilie Deutschlands und hat eine herausragende Architektur, die heute denkmalgeschützt ist. Es war jahrzehntelang Heimat tausender Mitarbeiter.

Kann das weg?
NEIN! Gott sei Dank ist der Abriss des „Kolosses“ derzeit, wohl auch weil er so gigantisch wäre, kein Thema!

Wer will was?
Der Investor: Derzeit ist die Immobilie vom Investor Sonae Sierra reserviert. Dieser lässt prüfen, welche zukünftigen Nutzungen im Gebäude beheimatet werden können. Damit ist zunächst ein einzelner Eigentümer verantwortlich für das Areal. Selbstredend wird es ein Ziel des Investors sein, eine derzeit attraktive Nutzung mit auskömmlichen Renditeversprechen zu etablieren.

Der Freistaat: Einer universitären Nutzung wurde nach Anfrage des Investors seitens der Landespolitik eine Absage erteilt. Die Universität soll sich „Auf AEG“ entwickeln. Nachdem die Verhandlungen des Freistaats Bayern für den Erwerb und damit die Weiterentwicklung der Universität „Auf AEG“ stocken, wird das Quelleversandhaus vielleicht doch wieder interessant. Zu wünschen wäre es.

Regiert die Angst?
Wieso hatte weder die Stadt Nürnberg noch der Freistaat Bayern Interesse und Mut, nach der Insolvenz Versandhaus und Areal zu erwerben?
Warum ergreifen Staat oder Kommunen im Rahmen solch gigantischer Projekte nicht die Chance, Herr über Immobilie und damit über die Entwicklung eines Projektes zu werden?
Warum denken Entscheidungsträger, solche Großprojekte ausschließlich aus der Perspektive der Risiken, aber nicht der Chancen?
Was muss sich ändern, dass Kommunen oder auch der Staat hier handeln?

Sozialromantik oder Einzigartigkeit?
Wäre es nicht eine einzigartige Chance, eine neue Form des gesellschaftlichen Handelns auf Quelle zu etablieren – hat es die US-amerikanische Soziologin und Wirtschaftswissenschaftlerin Saskia Sassen doch einmal so treffend umrissen: „Wenn Bauherren zu Stadtplanern werden, richten sie meist erheblichen Schaden an, denn ihr Vorgehen wird in enger Linie durch betriebswirtschaftliche Ziele bestimmt.“

Blickt man in die Historie, fällt mir der Diokletianspalast in Split ein. Dieser beherbergt heute wesentliche Teile der Altstadt. Dort, wo einst einer herrschte, herrschen heute viele, aber die Struktur des Palastes ist nach wie vor zu erkennen.

Ausblick:
Warum nicht also anstelle von einem Eigentümer viele Eigentümer? Eine Weichenstellung, diese Chance zu eröffnen, kann vermutlich nicht von einzelnen Bürgern kommen. Hier müsste man Neues und Anderes wagen, z.B. mit Gründung einer Genossenschaft. Dann sind Bürger gefragt, die Mut, Phantasie und Bereitschaft zum Risiko mit sich bringen und die der Wille eint, Teil einer einzigartigen und neuen Struktur zu sein.

Die Quelle war nach ihrer Errichtung eine der modernsten Logistikanlagen der Welt. Sie könnte erneut einzigartig werden.

Annemarie Bosch
Architektin und Stadtplanerin, Erlangen

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Prof. Michael Stößlein

Architekt und Stadtplaner, Nürnberg

Ändert den Blick! Vom Quelle Versandhaus zur Quelle Stadt! – Die Quelle ist als Teil unserer Stadt und in einem Planungs- und Bauprozess von über 20 Jahren entstanden.

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Sie ist eine Stadt in der Weststadt und soll durch einen Investor wieder belebt werden, so der Wille der Verantwortlichen in Nürnberg. Ist das der richtige Weg?

Der derzeitige Prozess ist falsch! – Nach der Insolvenz der Quelle GmbH im Jahre 2009 steht das Gebäude abgesehen von einigen Versuchen kultureller und kommerzieller Zwischennutzungen leer. Inzwischen plant der zweite Investor an Konzepten der Wiederbelebung des Hauses.

Der erste Investor hatte bereits Lay-Outs für die Flächen entwickelt, das wohl unvermeidliche Einkaufszentrum im EG und auf verschiedenen Obergeschossflächen die Parkierungsmöglichkeiten für die mit dem PKW anfahrenden Kunden. Damit die Stellplätze erreicht werden können, sollten großvolumige Spindeln vor der Neufert´schen Südfassade entstehen. Die Frage, ob diese Flächen nicht viel zu wertvoll für eine solche Unternutzung sind, musste nicht weiter gestellt werden: der Investor hat sich aus dem Projekt verabschiedet.

Nun ist der zweite Investor am Planen: Im  Rahmen einer Veranstaltung in der Kantine des früheren Versandhauses sollten erste Ergebnisse vorgestellt werden, gezeigt wurde Visualisierungen mit Konsumenten und Büromenschen, die ihre Mittagspause im überdachter Innenhof verbringen. In den Obergeschossen sollen Büroflächen, eine Laufbahn und wohl auch Wohnungen eingebaut werden.

Presseberichte, dass auch dieser Investor vor dem Absprung steht, sind nicht bestätigt.

Kann das Haus umgenutzt werden? – Letztlich wurde das Gebäude schon immer hybrid genutzt. Im Laufe der 20-jährigen Planungsgeschichte wurden die Flächen mehrfach den Inhalten angepasst, die Struktur hat vieles ermöglicht. Neuferts Leistung besteht darin, die Haltung der Fassade über die lange Entwicklung hinweg zu wahren, dem Haus ein signifikantes Kleid zu geben, das die Bauabschnitte umfasst und zusammenhält.

Ein Entwurfskurs im Masterstudium Architektur der TH Nürnberg hat gezeigt, welche Nutzungen auf den Flächen in Zukunft eingebracht werden können: natürlich Handel- und Büroeinheiten, aber auch Werkstätten, Wohnen, kulturelle Angebot wie ein Konzertsaal, eine Bibliothek, Ausstellungsflächen – das ganze Programm ist hier möglich. Erforderlich sind eine Erschließungsstruktur, das Einbrechen von Belichtungsöffnungen in den tiefen Flächen und das Herrichten der Fassade Neuferts.

Die Vision: Lasst uns das Haus als Stadt entwickeln! Es wird kein Investor benötigt, sondern ein „Bebauungsplan“! Das tragende Bild der Entwicklung des Quelle Versandhauses ist die „Stadt“, die hier nicht nur horizontal wächst, sondern die aus gestapelten Ebenen besteht, die feld- und geschossweise belegt werden können, sobald eine vertikale und horizontale Erschließungsstruktur festgelegt und im Vorgriff analog zu den „Plätzen, Straßen und Wegen“ in einem neu auszuweisenden Baugebiet hergerichtet ist. Die Statik des Baus leistet, dass diese Straßen befahrbar sein können – für Radfahrer und Elektromobile, ein Anreiz für die Bewohner und Benutzer, sich diese anzuschaffen, weil sie dann damit ihre Einheit in der Quelle-Stadt direkt erreichen. Gleichzeitig wird die Fassade im Sinne Neuferts hergerichtet, werden Lichttrichter in der Lage positioniert und in den tiefen Flächen eingefügt, werden die Spartenlagen für die Haustechnik vorgerichtet. Plätze strukturieren die Wege, Grünflächen auf den Dächern dienen dem sozialen Miteinander. Und dazwischen liegen die „Grundstücke“, manche wertvoll und in 1A Lage, andere ruhig und abseitig, aber fürs Wohnen am nachbarschaftlich genutzten Platz oder mit Verbindung aufs Dach mit dem Grün- und Sportflächenangebot wunderbar geeignet.

Die Grundlage für dieses Konzept liefert ein Wettbewerb, der nicht Bilder, sondern Strukturen als Ziel hat. Und wenn diese Strukturen im Vorgriff hergestellt sind und der „Bebauungsplan“ Regeln für die Belegung der Flächen hergibt, wird die Stadt nach und nach gefüllt, Nutzungen werden sich suchen und ergänzen.

Es ist kein Investor nötig, der letztlich nur am Einkaufszentrum interessiert ist und der die restlichen Flächen mehr oder weniger lieblos betreibt. Eine kommunale Betreibergesellschaft, beraten von Fachleuten und begleitet durch Bürger, die mit der geschilderten Struktur in Vorleistung geht und dann die Flächen verkauft oder vermietet, ist der bessere, vielleicht der einzige Weg!

Mathias Pfeil

Architekt und Generalkonservator Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München

Das Second Life der Quelle  – Als sich die Firma Quelle um das Jahr 1950 dazu entschloss, ein neues Lager- und Versandhaus in Nürnberg zu errichten, bediente man sich dafür der neuesten Mittel und Wege.

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Obwohl Firmengründer Gustav Schickedanz (1895-1977) eine selbst für damalige Verhältnisse gediegene, konservative Formensprache schätzte, sollte das neue Versandzentrum den Charakter eines modernen, nach rationellen Gesichtspunkten geplanten Industriegebäudes erhalten. Anlieferung, Lagerung, Bestellabwicklung und Warenversand gehorchten den strengen Gesetzen eines klar strukturierten und standardisierten Betriebsablaufes. Die Weitläufigkeit und innere Organisation des riesigen Gebäudekomplexes entsprach den Bedürfnissen der der beginnenden Konsumgesellschaft. In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit symbolisierte das Versandhaus Quelle die bis dahin unbekannte Vielfalt und allzeitige Verfügbarkeit der Warenwelt.  Das Verkaufskonzept und die Marktstrategie wurden rasch populär und blieben massentauglich über einen Zeitraum von gut fünfzig Jahren. Die Kundenzahl belief sich auf rund zwei Millionen Menschen. Der Erfolg des Unternehmens steht exemplarisch für den wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Firmenname Quelle entwickelte sich – wie Tempo, Tesa oder Uhu – zu einem „Branding“, an dem der dicke Verkaufskatalog einen entscheidenden Anteil besaß.
Mit der baulichen Konzeption und architektonischen Gestaltung betraute Schickedanz den Architekten Ernst Neufert (1900-1986), der mit seiner Vorstellung der „Bauentwurfslehre“ ähnliche Gesetzmäßigkeiten von Entwurf und Ausführung verfolgte. Neufert war prädestiniert für die Bauaufgabe. Das zwischen 1954 und 1967 in mehreren Bauabschnitten, aber nach einheitlichem Konzept entstandene Versandzentrum sollte sich zu einem ikonenhaften Bauwerk für die Firma Quelle und die Stadt Nürnberg entwickeln.

Bautechnisch handelt es sich um eine Stahlbetonskelettkonstruktion mit frei gestaltbarer, nichttragender Fassadenhaut. Beim Fassadenentwurf beschränkte sich Neufert auf einige wenige Elemente, in strenger Ordnung übereinander geschichtet: Erstens die massiven Flächen, bestehend aus hellen, gelblichen Klinkerziegeln, zweitens die Betonflächen, die einen Hinweis auf die Materialität der Stützen und Decken geben, und drittens die filigran gebauten Metallfensterbänder. Mit dem Fensterband griff Neufert auf ein Motiv der Klassischen Moderne zurück, das von Le Corbusier (1887-1965), Walter Gropius (1883-1969) und Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) angewandt worden war, um die Leichtigkeit und Schwerelosigkeit des Neuen Bauens visualisieren zu können. In Nürnberg diente das Fensterband auch dazu, dem Betrachter das Innenleben der Quelle zu zeigen, nämlich Kranbahnen, Förderbänder, Rutschen, Regale und natürlich Pakete. Bei nächtlicher Beleuchtung zeigte sich dieses Schauspiel besonders deutlich. Menschen waren dagegen nicht zu sehen, denn dafür waren die Brüstungen viel zu hoch…

Die Aufnahme des Quelle-Versandgebäudes in die Denkmalliste der Stadt Nürnberg erfolgte im Jahr 2005 und beinhaltet auch die Nebengebäude wie Quelleturm, Pförtnergebäude und Heizhaus an der Wandererstraße. Mit dem Insolvenzverfahren der Arcandor GmbH im Jahr 2009 endete das erste Leben des Quellehauses, dem Hauptwerk im Oeuvre von Ernst Neufert. Natürlich stellt die Nachnutzung eines derart riesigen Gebäudes die Eigentümer, Planer und Genehmigungsbehörden vor besondere Aufgaben. Dazu gehört seit 2005 nun auch die Berücksichtigung des Denkmalschutzes. Doch liegen darin auch Chancen. Die Gestaltungsqualität des Gebäudes kann durchaus ein Faktor sein, der dem „zweiten Leben“ der Quelle zum Erfolg verhilft.

Die Identität dieses einmaligen Denkmals sichtbar zu erhalten, sollte Ziel der Umnutzung sein. Dass dabei nicht jedes Fragment eine neue Funktion erhalten und nicht jeder Bestandteil dieser riesigen Gesamtanlage fortbestehen kann, ist fraglos. Das beeindruckende Gesamtkonzept aber, das hinter „der Quelle“ steckt, sollte auch in Zukunft spürbar bleiben. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege wird jedenfalls sehr gerne dabei behilflich sein, Perspektiven für die Zukunft dieses einmaligen Denkmals zu finden.

Prof. Johannes Kister

Architekt und Stadtplaner, Köln

Der Bauherr hat beschlossen, in der aktuellen Diskussion keine Pressestatements zu versenden; wird es zu gegebener Zeit aber natürlich machen. Von daher müssen wir uns hier leider zurückhalten.

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Es ist gut zu verstehen, dass mit dem Quelle-Projekt in der Öffentlichkeit Fragen verbunden sind; und dass auch eine gewisse bange Ungeduld, was denn wohl passieren wird, absolut verständlich ist. Als Architekten, welche seit Jahren mit der Planung vertraut sind, möchten wir gerne schon weiter blicken und einige Schritte nach vorne gehen – zumal ein kontinuierlicher Konzeptionsprozess mit Bauherrn, Investoren und Nutzern das Projekt immer tiefer verständlich gemacht hat. Wir hoffen, dass bald auch öffentlich die Denkprozesse vorgestellt werden können. Es sei aber so viel schon gesagt, dass wir von Variante zu Variante eine Entwicklung von mehr Qualität festmachen können und dies zu einem Mehr an architektonischem Erleben führen wird. Stand heute: Wir als Architekten sind voller Optimismus und Überzeugung.

Ein Gedanke zu „Prof. Johannes Kister“

  1. Auf der einen Seite sehr erfreulich, dass Sie als Architekt voller Optimismus über den aktuellen Planungs- und Projektstand sind. Auf der anderen Seite täte es sehr gut, wenn der Investor die Abstände der Wasserstandsmeldungen nicht zu gross werden lässt, da dies immer Raum für Unsicherheiten und Spekulationen bei Politik, Presse und der Bevölkerung eröffnet.
    Mit dem Erwerb einer so wesentlichen, grossen und bedeutenden Immobilie ist daher auch eine Verantwortung für den verbunden. Warum kann es keinen regelmäßigen Jour Fixe geben, in dem die von Ihnen angedeuteten optimistischen Perspektiven vorgestellt werden ?

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Siegfried Dengler

Architekt und Leiter Stadtplanungsamt Nürnberg

In der Nürnberger Weststadt vollzieht sich ein massiver Strukturwandel. Mit der Betriebseinstellung von Firmen wie Triumph-Adler, AEG und Quelle gingen in den Jahren 1993, 2007 und 2009 mehrere tausend Arbeitsplätze in diesem traditionell industriell geprägten Gebiet verloren.

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Die Stadt Nürnberg hat hierauf umfassend und schnell reagiert. Die Weststadt wurde als Stadterneuerungsgebiet ausgewiesen. Mehrere Referate und Dienststellen der Stadtverwaltung haben in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, Eigentümern und Stadtteilinitiativen zusammengewirkt und seit 2008 im Rahmen des koopstadt-Prozesses das Gebietsteam Weststadt etabliert. Dieses hat bewusst einen Bottom-up-Ansatz über konkrete Projekte und die Suche nach neuen Allianzen innerhalb der Verwaltung und mit Partnern und Partnerinnen vor Ort gewählt. Neben den konzeptionellen, auf den Stadtraum und städtebauliche Aspekte bezogenen Bausteinen wurde 2009 mit einer Geschichtswerkstatt und der daraus entstandenen Broschüre „Strukturwandel West“(1) ein wesentlicher Schritt für den offensiven Umgang mit der Vergangenheit und für ein neues Selbstverständnis in der Weststadt gemacht.

2010 und 2011 wurden durch das Gebietsteam eine große Zahl an Machbarkeitsstudien auf den Weg gebracht und die Beteiligung vor Ort forciert, hierbei entstanden verschiedenste Partizipationsformen, die eine Einbindung der Akteure und Nutzer vor Ort ermöglichten. Seit 2011 wurden verstärkt Ideenfindungsprozesse vor Ort angestoßen sowie zwei Aktionstage durchgeführt. Das ExWoSt-Projekt „Beteiligung von Migranten und Migrantenorganisationen in Prozessen der Stadterneuerung und Stadtteilkommunikation“ hat Hinweise geliefert, inwieweit es gelingen kann, Migrantenvereine und –organisationen in die laufenden Prozesse einzubinden.

Seit der Insolvenz des Traditionsunternehmens Quelle im Jahr 2009 gab es für das ca. 11 ha große Areal und das denkmalgeschützte Quellegebäude (weiter in Privatbesitz) von Ernst Neufert zunächst keine umfassende Folgenutzung, was bei einem Objekt mit 260.000m² BGF nicht verwundern sollte. Die Stadt Nürnberg hat 2011 einen Realisierungswettbewerb (für die Randbereiche) und einen Ideenwettbewerb (für das Hauptgebäude) durchgeführt. Die Ergebnisse lieferten die Grundlagen für die künftigen planerischen Entwicklungen und flossen auch in das vom Stadtrat 2012 einstimmig beschlossene Integrierte Stadtentwicklungsonzept – INSEK – Weststadt ein.(2)

Ein von der Stadt mit initiiertes und finanziertes, interdisziplinäre Forschungsprojekt der Technischen Universität München „Stadtlabor Weststadt“ lieferte weitere wichtige Erkenntnisse.(3)
Auf der anderen Straßenseite der Fürther Straße, im ehemaligen AEG-Werk, waren die Prozesse schneller: 2012 wurde der Stadt und dem Projektentwickler MIB der Nationale Preis für integrierte Stadtentwicklung und Baukultur in der Kategorie Gebäude und Stadtraum für das Projekt „Auf AEG – vom Industrierevier zum lebendigen Stadtquartier“ überreicht.(4)

Für das Quelleareal wurde 2013 ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet, hierbei wurden die wichtigsten Entwicklungsziele planungsrechtlich abgesichert.(5) In den folgenden Jahren hat sich der Nürnberger Stadtrat mehrfach und intensiv mit der Entwicklung der Weststadt und des Quelleareals auseinandergesetzt, so z.B. 2015, bei dem die Verwaltung einen umfangreichen Zwischenbericht vorgelegt hat.(6)

Für die Quellerandflächen wurden zwischenzeitlich durch einen regionalen Bauträger Bauvoranfragen für eine Wohnbebauung mit einem erheblichen Anteil geförderter Wohnungen eingereicht. Die Stadt hat den ehemaligen Parkplatz der Fa Quelle erworben. Hier wird nach einem umfangreichen Bürgerbeteiligungsprozess in den nächsten Jahren ein Park zur Freiraumversorgung der Bevölkerung angelegt. Weiter Projekte, wie der Umbau und die Erweiterung einer Grünanlage mit Spielplatz, die Errichtung einer Kulturwerkstatt (Planung Anderhalten Architekten, Berlin), der Bau eines Kinder- und Jugendhauses mit Aktivspielplatz und weitere Projekte wurden umgesetzt oder sind kurz vor Fertigstellung. Für das AEG Gelände wurden erfolgreiche (Zwischen-) Nutzungen, insbesondere aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft etabliert. Bis zum Ende des Jahres 2015 war das auch in Teilen des Quellegebäudes der Fall. Im Rahmen einer Zwangsversteigerung fand 2015 das Objekt einen neuen Eigentümer. Dieser hat das Büro Kister Scheitauer Gross mit der Objektplanung beauftragt. Prof. Kister, Vorsitzender der Ernst Neufert Stiftung, hat den Stadtrat und die Nürnberger Öffentlichkeit umfangreich über den Stand der Planungen informiert.

Versucht man die Situation zusammenzufassen, stellt man schnell fest, dass dies nicht in wenigen Zeilen gelingt, hierzu ist sie viel zu komplex. Dennoch mag die sehr verkürzte Zusammenstellung aufzeigen, dass die Stadt Nürnberg sich intensiv mit der Thematik des Stadtumbaus beschäftigt und frühzeitig eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen hat und der Strukturwandel in der Westadt nicht allein auf das Quelleareal reduziert werden kann.

Ein Abbruch des Quellegebäudes  ist allein schon aus Gründen des Denkmalschutzes auszuschließen. Eine sinnvolle, dem Gebäude angemessene Nachfolgenutzung, die einen weiteren Baustein einer urbanen Transformation der Nürnberger Weststadt darstellt, braucht Zeit und macht zudem – leider – viel Arbeit.

(1) https://kuf-kultur.nuernberg.de/fileadmin/bilder_allg/muggenhof/Geschichtswerkstatt/KUF_Weststadt-1901bis1945-neu24-2.pdf
(2) https://www.nuernberg.de/imperia/md/stadtplanung/broschueren/broschuere_insek_weststadt-nbg_201206.pdf
(3) https://www.nuernberg.de/imperia/md/stadtplanung/broschueren/broschuere_stadtlabor_nuernberger_weststadt_stadtlabor_2013.pdf
(4) http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/BMVBS/Sonderveroeffentlichungen/2012/StadBauenStadtLeben.html?nn=396400
(5) https://intranet-apps2.stadt.nuernberg.de/ErisIntern/ResearchPanel/proceed?action=select&meetingId=3280&agendaItemId=37161
(6) https://intranet-apps2.stadt.nuernberg.de/ErisIntern/ResearchPanel/proceed?action=select&meetingId=4091&agendaItemId=52841

3 Gedanken zu „Siegfried Dengler“

  1. Schade, dass eine solche Immobilie nicht abgerissen werden darf, weil sich einige wenige daran klammern. Wie immer wird in unserem demokratischen Gemeinwesen von wenigen Strippenziehern entschieden, was wir Bürger zu glauben und anzunehmen haben. Es wird Zeit für eine grundlegenden Wandel, der eine solche Arroganz der Macht nicht durchgehen lässt. Der Sinn der Wirtschaftsruine ist weg, damit ist dieser hässliche Klotz überflüssig. Wie viel Platz für dringend benötigten Wohnraum würde hier frei werden, noch dazu in einer gut erschlossenen innerstädischen Lage!
    Fazit: Weg mit der Ruine!

    1. Das Gebäude ist unbestreitbar ein Stück Stadtgeschichte. Eine derartige Gebäudestruktur bietet die die Möglichkeit, alle nur denkbaren Nutzungenaufzunehmen, ohne seinen Charakter zu verlieren und damit die Stadt ein Stück seiner Geschichte.
      Die neuen Nutzungen bekommen durch den Erhalt der prägenden Gebäudestruktur eine eigene Identität und laufen nicht in Gefahr identitätslose Neubauten zu werden.Es sind mit Verlaub auch nicht „Wenige“, die sich für den Erhalt des Gebäudes stark machen, sonderen sehr viele, vermutlich sogar die Mehrheit der Bevölkerung. Es sind alle die, die wissen, welches Potential ein solches Gebäude für neue Nutzungen bieten kann. Es gibt viele Vorbilder für derartige identitätsstiftende Umbauten. Wohnen in der Sargfabrik in Wien, Wohnen in der Paketposthalle Nürnberg, Einkaufszentrum Borsigwerke Berlin, divere Umnutzungen ehemaliger Zechen im Ruhrgebiet, uvm.
      Ein Studium lohnt sich, bevor man pauschal einen Abriss fordert.

  2. Wie immer wird hier über das Gesicht der Stadt von Menschen entschieden, die hier nicht wohnen und leben. Gleichzeitig wird den Einwohnern der Stadt ein Umfeld aufgezwungen, welches viele vermutlich nicht wollen. Es entscheidet wieder einmal Kapital und die üblichen politischen Strippenzieher. Wundert sich noch jemand über die politische Entwicklung in diesem Land?

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Prof. Christiane Thalgott

Architektin, Stadtplanerin und Baubeamtin, München

Es ist eine große Kunst aus einem denkmalgeschützten, zu seiner Bauzeit in den 50er Jahren hochfunktionellen Logistikgebäude von 250.000 qm ein heutigen Ansprüchen genügendes Multifunktionsgebäude zu entwickeln.

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Allein schon so trockene Aufgaben wie zeitgemäßer Brandschutz, Schallschutz und Wärmeschutz haben erhebliche Eingriffe in den Bestand zur Folge und können hier, wie in allen Gebäuden aus dieser Zeit, oft das elegante harmonische Erscheinungsbild erheblich verändern wenn es an der nötigen Aufmerksamkeit fehlt.

Aber gerade an dieser Eleganz hängt – neben der positiven Erinnerung an die Nutzung- auch die hohe Wertschätzung des Gebäudes durch die Menschen, also muss sie klug bewahrt werden.

Die Investoren tun sich noch schwer mit gemischt genutzten Immobilien, sie sind viel komplizierter herzustellen und zu betreiben als monofunktionelle Gebäude, letzteres kann jeder, allerdings ist das heute weder für die Investoren noch Finanzierer oder Nutzer attraktiv.

Der Vielfalt der Nutzungen gehört die Zukunft auch im Immobiliensektor und diese Zukunft hat bereits begonnen: alle wollen gerne in „mixed used buildings“ investieren, nicht nur in den USA sondern auch in Deutschland. Es gibt schon sehr interessant Vorbilder für solche Umnutzungen von leer gefallenen Industriegebäuden, Parkhäusern oder Einkaufszentren, besonders in den USA aber auch ganz nah vor Ort.

Freizeitnutzungen wie Sport, aber auch Gesundheit und Fitness außerdem Unterhaltung und Bildung  sind neben unterschiedlicher Gastromonie sowie Büro- und Wohnnutzung die wichtigsten Bereiche. Der Einzelhandel hat durch  e-commerce seine Funktion wesentlich verändert: das Erlebnis, die Unterhaltung, das Sehen und Gesehen werden, der direkte menschliche Kontakt  werden gesucht, auch Beratung und Darstellung, das Kaufen ist nur noch Beiwerk.

Zum Beispiel: Musik hören und machen, dazu Instrumente erproben und in Kursen spielen lernen, kann man nicht im Netz sondern vielleicht demnächst an der „Quelle“. Oder Klettern und Bouldern am künstlichen Fels mit vielen Zuschauern und neuem Outfit regt zum Nachahmen an und zu neuer Ausstattung nach guter Beratung, an der „Quelle“.

Das ist dann auch ein Umfeld für moderne Arbeitsplätze mit offenen Arbeitszeiten und Raumkonzepten. Aber auch das Wohnen verändert sich mit Genossenschaftswohnungen oder Mikroappartements und Boardinghousekonzepten erheblich, bis zu betreutem Wohnen oder Hotels.

Manchmal ist es ganz gut, wenn Projekte eine Reifezeit haben, in der anderswo neue Konzepte für ähnliche Aufgabenstellungen erprobt werden und dann als bereits erfolgreiche Entwicklungen implementiert werden können. Es geht hier weniger um genaue Quadratmeterzahlen als um die richtige Nutzungsmischung; erfolgreiche Vorbilder gibt es, Nachahmung erlaubt.

Es braucht Phantasie, Ortskenntnis und Organisationsaufwand wie für jedes erfolgreiche Projekt, so auch für die Verwandlung des Versandhandelszentrums von Quelle in eine erfolgreiche moderne Mixed- Used- Immobilie.

Ich wünsche dem Eigentümer und der Stadt Nürnberg eine glückliche Hand bei der Umnutzung! Hier entsteht etwas ganz Neues und der Bestand, das Alte, sorgt für die Besonderheit und Einzigartigkeit.

Dirk Murschall

Online Communications Manager, Nürnberg

Die Zukunft des Quelle-Areal – Oder die Frage nach der idealen Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und privatem Kapital für eine menschengerechte und lebenswerte Stadtplanung.

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Eine Frage der Mentalität
Subjektiv betrachtet haben wir in Nürnberg eine recht spezielle und vielleicht auch verfahrene Situation, eine die sich nicht mit einer gelösten Zukunft des Quelle-Areals beantworten lässt. Ob öffentliche Hand oder privates Kapital, beide tun sich damit schwer, eine brauchbare Zukunft zu ersinnen, und nicht nur das. Vielleicht hat die gesamte vierzehntgrößte Stadt Deutschland wirklich einfach keinen Wunsch und keine Idee, was mit der Quelle passieren soll.
Kurzer Rückblick: nach der Pleite herrschte die große Leere auf dem Areal. Während konservative Strömungen den Abriss forderten, begann sich Kunsthandwerk, Design, Architektur, Proberäume, Studios und ähnliches in einigen der Räumen zu tummeln. Zwar im Vergleich zum verfügbarem Platz immer noch verschwindend wenig, aber es tat sich was. Wo Freiräume sind, sind Kunst und Individualismus nicht weit. Die Prozesse, die andernorts ganze Stadtteile in kürzester Zeit umwerten und entwickeln, begannen sich im kleinen Maßstab frei von Zwängen mit dem Quelle-Areal zu beschäftigen. Das passierte allerdings weitestgehend abseits der Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit und endete Ende 2015 mit der Räumung des Geländes.
Nun besitzt Nürnberg eine sehr eigentümliche Mentalität, die sich nicht zuletzt in der Architektur widerspiegelt. In der Stadt der engen Straßen und geduckten Häuser herrscht hohe bauliche Verdichtung. Es gibt wenig öffentlichen Raum und fast keine öffentliche Plätze die zum Verweilen einladen. Es gibt keine Flaniermeile fürs Sehen und Gesehenwerden. Schaut man sich Milieustudien an, dann konkretisiert sich das Bild. In Nürnberg sind die „Heimzentrierten“ deutlich häufiger vertreten als in anderen vergleichbaren Städten. Sie bilden neben den “Aufstiegsorientierten” die zweitstärkste Fraktion. Typische großstädtische Milieus wie die „Liberal Gehobenen“ oder die „Reflexiven“ existieren im Vergleich nur zu deutlich geringeren Anteilen. Für einen starken Anteil der Bevölkerung ist der öffentliche Raum schlichtweg Infrastruktur und kein Lebensraum den es zu gestalten gilt.
Mehr noch. Diskurse rund um das Thema Stadtentwicklung versickern oder kommen gar nicht erst hoch. Der Fränkische Stadtmensch interessiert sich für Urbanismus nur, wenn es um die Burg geht oder der Frankenschnellweg ausgebaut werden soll. Beispielsweise haben auch eingefleischte Interessenten der Materie wenig bis gar nichts von dem über neun Jahre laufenden Gemeinschaftsprojekt „Koopstadt“ der Städte Bremen, Leipzig und Nürnberg mitbekommen. Weder Projekte noch Ergebnisse wurden in die Bevölkerung getragen oder öffentlich diskutiert.

Nun ist das stadtentwicklungstechnisch resonanzarme Nürnberg mit der zweitgrößten Brache Deutschlands konfrontiert. Für die „Heimzentrierten“ währe es vermutlich voll in Ordnung, wenn sie ein weiteres Möbel- oder Autohaus bekommen würden. Um allerdings die “menschengerechte und lebenswerte Stadtplanung” zu ermöglichen, muss überhaupt erstmal der Diskurs um Bedürfnisse, die Wahrnehmung von urbanem Raum und die Öffentlichkeitsarbeit gestartet bzw. auch gewollt werden. Und das ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten einfach noch nicht passiert.

Prof. Dr. Hartmut Niederwöhrmeier

Architekt undf Stadtplaner, Nürnberg

Zwischen den Altstädten Nürnberg und Fürth bilden Fürther und Nürnberger Straße eine 7 km lange Magistrale, die nicht nur durch die Ludwigeisenbahn (1835) von herausragender Bedeutung ist.

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Bemerkenswerte Bauwerke stehen für einschneidende Ereignisse in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft und säumen einen großartigen Straßenraum, der heute unter Kleinteiligkeit, Lieblosigkeit und Gestaltarmut arg leidet. Das ehemalige Großversandhaus Quelle liegt etwa auf der Hälfte der geradlinigen Städteachse im Graubereich der Stadtgrenzen.

Eine interkommunale Stadtplanung mit Vorausschau und Vision fehlt. Zahlreiche informelle Initiativen haben Wege hybrider Nutzungsstrukturen in der Quelle vorgelebt. Letztendlich hat ein herbeigesehnter Investor zugegriffen und diesen gekündigt. Gewinnorientierung steht jetzt im Vordergrund. Die Öffentlichkeit ist immer dann kritisch, wenn kommerzielle Zwecke zu überwiegen drohen. Nur die Werte des ehrbaren Kaufmanns sichern nun mal einen erfolgreichen Weg.

Ein erster Schritt ist getan: gute Architekten planen. Aber dazu gehört mehr: Offenheit, Transparenz, Ortsbezug, Mitsprache, aber auch eine Haltung, die für Baukultur im besten Sinn steht und ein politischer Wille, der nicht nur Verkaufsflächen begrenzt. Solange gezögert und gepokert wird, wird sich niemand zufriedengeben. Eine Planung, die den gesellschaftlichen Bezug verliert, schürt die Angst vor der Zukunft.

Es stellt sich auch die Frage, ob herausragende Dokumente der Baukunst überhaupt in die Hände von Investoren gehören – zumindest solange sie sich nicht als Bauherrn verstehen. Eine Allianz zwischen den beiden Kommunen und dem Freistaat muß angesichts dieser exemplarischen Architektur von Ernst Neufert zu einem gemeinsamen Plan über das Objekt hinaus für das Ganze führen.

Separatistisches Denken auf kommunaler Ebene gehört in gemeinsames Handeln überführt. Mittelmäßiges können wir uns nicht mehr leisten. Stadt und Architektur müssen neu gedacht werden. Das Quelleareal als Schwerpunkt zwischen den beiden Kernstädten muß zu einer neuen Urbanität entwickelt werden, in der Stadtplanung, Stadtumbau, Architektur und Grün- sowie Verkehrsplanung auf ganzer Strecke der Magistrale und auf höchstem Niveau nachhaltig und zukunftsorientiert das Ziel sind. Das fordert von Staat und Kommune mehr Baukultur als bislang. Die Potenziale aller Planenden und die Partizipation der Bürger müssen umfänglich eingebunden werden. Das braucht natürlich Zeit zum Denken und Handeln.

Der kleinste gemeinsame Nenner hat hier nichts zu suchen. Nur an einem Organ herumzudoktern vernachlässigt das Ganze. An dieser Stelle bietet sich die einmalige Chance einer Stadtentwicklung an der Schnittstelle zweier Städte – durchaus auch modellhaft. Zahlreiche Beispiele in Europa zeugen von erfolgreichen Wegen zur Weiterentwicklung metropolitaner Regionen. Für Nürnberg und Fürth wie Bayern ist es dringend geboten, Strategien zukunftsorientiert zu ändern und Visionen zu entwickeln.

Udo Gleim

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Darmstadt

Mehr Öffentlichkeit! – Das ehemalige Versandzentrum der Firma Quelle im Nürnberger Westen gehört zu den bedeutendsten Werken des Architekten Ernst Neufert.

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Als ein Höhepunkt seiner Tätigkeit im Industrie- und Verwaltungsbau steht es beispielhaft für eine äußerst gelungene Synthese unternehmerischen Pioniergeistes, technischer Innovation und gestalterischer Qualität. Von Beginn an war die programmatische Architektur zugleich als Medium der Zurschaustellung beispielloser Fortschrittlichkeit und Modernität konzipiert.

Errichtet ab 1954 als „Maßanzug“ für den modernsten Versandbetrieb der Welt und im Laufe der folgenden Jahrzehnte in mehreren Schritten erweitert, kontinuierlich technisch modernisiert und an neue Bedürfnisse angepasst, wurde das denkmalgeschützte Ensemble im Format eines veritablen Stadtquartiers mit der Insolvenz der Quelle GmbH im Jahr 2009 weitgehend funktionslos und steht – nach zeitweiliger und kreativer Transformation zum Ort produktiver künstlerischer Zwischennutzung – inzwischen wieder weitgehend leer; seine Zukunft ist ungewiss.

Noch immer besteht die Chance, einen einzigartigen Gebäudekomplex zu erhalten, behutsam zu transformieren und möglichst dauerhaft tragfähigen zukünftigen Nutzungen zuzuführen. Die Quelle ist nicht nur als Denkmal der Bau- und Technikgeschichte sondern vor allem in ihrer Funktion als Träger kultureller Identität und als Wahrzeichen von Stadt und Region – auch über die Landesgrenzen hinaus – bedeutsam. Ein klares Bekenntnis zum baukulturellen Erbe könnte den notwendigen Raum zur konstruktiven und im besten Sinne kreativen Auseinandersetzung mit der Zukunft eines Ensembles schaffen, dessen Baugeschichte zwar über Jahrzehnte von ständiger Weiterentwicklung und Veränderung geprägt, vom Abriss dabei jedoch glücklicherweise weitgehend verschont wurde.

Es wäre zweifellos von großem Vorteil und ein echter Gewinn für alle Beteiligten, wenn eben dieses – im Falle der Quelle bewährte Motiv des „Weiterbauens“ – zur allgemein akzeptierten und unveräußerlichen Grundlage für den zukünftigen Umgang mit dem Areal an der Fürther Straße werden würde – eine schwierige, aber keineswegs unlösbare Aufgabe.

Die Weichen dafür sind gestellt, die einst von höchster landespolitischer Ebene lautstark und polemisch erhobene Forderung nach Abriss ist inzwischen längst verhallt. Noch also ist nichts verloren – und doch steht viel auf dem Spiel: Trotz ihrer starken städtebaulichen Präsenz und ihres identitätsstiftenden Charakters für die umliegenden Quartiere fehlt der Quelle über die atmosphärische Kraft der Bauten und deren unbestreitbares Potenzial für vielfältige zukünftige Nutzung hinaus als ehemaligem Betriebsgelände mit stark eingeschränkter Zugänglichkeit und entsprechend geringer räumlicher und funktionaler Vernetzung mit dem Stadtteil Eberhardshof bislang eine entscheidende Voraussetzung für die Entfaltung wirklich urbaner Qualität.

Urbanität ist mehr als nur Funktionsmischung und Dichte. Urbanität ist lebendige städtische Öffentlichkeit – ist „Stadtkultur“ –, deren Heterogenität und Vielfalt nicht aus der Retorte entstehen kann. Sie benötigt gemeinsame Werte und Ziele, wirksame Impulse, Zeit für sukzessive Aneignung, Geduld mit dem Unfertigen, Toleranz gegenüber dem Informellen, Mut zum Experiment mit offenem Ausgang und als Basis – neben dem privaten – vor allem den wirklich „öffentlichen“ Raum. Solche Bedingungen zu schaffen, wäre die originäre Aufgabe einer am Gemeinwohl orientierten Stadtentwicklung und sollte nicht allein einer profitorientierten Projektentwicklung überlassen bleiben.

Jörg Franke

Architekt, Regierungsbaumeister und Stadtplaner, Emskirchen

Städtebauliche Wettbewerbe, besser gesagt ihre Verfasser, werden zunehmend zur Klärung politischer Positionen und verwandter Handlungs- oder Unterlassungsmuster missbraucht.

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Dem städtebaulichen Wettbewerb ist immanent, dass zwar Strukturen in einem Lageplan gleich welchen Maßstabs zu entwickeln sind, daneben aber auch immer die Idee eines Gebäudes, die dreidimensionale Idee eines Quartiers, die Konzeption von Wohnen und Wohnungen als Grundriss konzept einzureichen sind.

Wenn es dann möglicherweise tatsächlich zur Realisierung eines städtebaulichen Konzeptes kommt, werden immer andere Architekten die Hochbauaufgaben umsetzen, und haben fast zwangsläufig wenig Interesse sich an gestalterische Überlegungen eines städtebaulichen Wettbewerbes zu halten. Die umzusetzende städtebauliche Konzeption funktioniert aber möglicherweise nur, wenn die im Wettbewerb vermittelten Bilder von Gebäuden und Quartieren auch tatsächlich umgesetzt werden. Ein Widerspruch, der immer mehr zu Ungunsten des städtebaulichen Konzeptes entschieden wird.

Die Stadt Nürnberg wollte beim Quelle-Areal Stärke beweisen und die Hoheit über Nutzung und Gestaltung behalten. Leider verfolgte sie von Anfang an das Ziel, ein Investor möge das Objekt vom Insolvenzverwalter erwerben und dann eine Planung realisieren, die der Stadt genehm ist und wenn möglich, aber nicht zwingend, zu den Ergebnissen des städtebaulichen Wettbewerbs und den Ergebnissen eines langjährigen ISEK-Prozesses passt.

Bald stellte sich heraus, dass auch jede andere Form von Nutzung, Schaffung von Baurecht, Zwischennutzung und quartiersbezogene Zielsetzung die Zustimmung der Stadt finden würde, Hauptsache, die zukünftige Entwicklung ist nicht mit Kosten für die Stadt Nürnberg verbunden.
Es gab durchaus Stimmen, die den Erwerb des Quelle-Areals durch die Stadt befürworteten, in der Hoffnung, damit bestimmender Akteur des Verfahrens zu werden.

Bei der Frage, ob mit dem Kauf des Quelle-Areals der Stadt ein immenses Risiko aufgebürdet werden würde oder ob die Möglichkeit ein, wenn nicht das Leuchtturmprojekt für Nordbayern zu entwickeln überwöge, setzen sich die Zweifler und Zauderer durch. Lieber kein Risiko aber dafür auch kein Disaster. Aber dafür auch kein Leuchtturm.

In Erwägung des Sprengpotentials eines solchen Projektes sind Architekten und ihre städtebaulichen Konzepte von geringer Bedeutung, leider auch Prozesse, die mit hohem Förderaufwand, Bürger- und Expertenbeteiligung, vielen Hoffnungen und Idealen vor etlichen Jahren starteten und dann sang- und klanglos untergehen.

Läge das Quelle Areal in München, wäre dem Gebäude und dem Umgriff eine seiner Bedeutung adäquatere Lösung zu teil geworden. Ein Verramschen und Weggeben des Umgriffs an einen Bauträger wäre undenkbar gewesen. Auch der Diskussionssplitter, man könne doch das gewünschte zweite Nürnberger Konzerthaus in der Quelle unterbringen, erinnert nur im Stil an die Diskussionen in München, jedoch nicht in der Substanz.

Prof. Nadja Letzel

Architektin, Nürnberg

Auf der anderen Seite….

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Um über die Quelle wieder frei und optimistisch nachdenken zu können, muss man den Blick kaum weiter lenken und ein anderes Transformationsgebiet in die derzeit auf Einkaufszentrum-Niveau beschränkte Sicht einbeziehen – auf ein Projekt, das sehr gut dasteht – genannt „Auf AEG“. Auf AEG wurde in den letzten Jahren stetig und mit ruhiger Investoren-Hand die ehemalige Waschmaschinenfabrik neuen Inhalten zugeführt. Die Bestandsbauten wurden zu Büros, Ateliers und Kunsträumen umgenutzt, haben Gastronomie, Freizeit- und Sporträume aufgenommen. Scheinbar alles ganz einfach. Dieser Prozess fand ohne architektonische Aufregung statt, alles ist unspektakulär, fast zu blass unter der Decke geblieben.
Doch inzwischen ist Auf AEG ein fast komplett besiedeltes Areal – nicht glamourös, dennoch überzeugend lebendig in sich. Insgesamt eine hoch sympathische und intelligente Strategie für ein nicht minder kleines Gebiet. Diese erstaunliche Nürnberger Erfolgsgeschichte soll in Zukunft nochmals getoppt werden. Nur leider nicht, indem das Glück endlich in großem Maßstab auf Quelle überspringt, sondern indem das bereits gut laufende AEG-Areal erneut den Besitzer wechselt und zum Technik-Campus von FAU und TH Nürnberg werden soll.
Ausgerechnet dort, wo es läuft, wird erneut umgeschichtet? Auf Beschluss der Bayerischen Staatsregierung sollen hier ganze Fakultäten beider Hochschulen in Zukunft gemeinsam forschen, Ausbildung betreiben und studentisches Leben an sich binden. Der Freistaat kauft und eine Studentenstadt wird kommen.
Aber warum findet diese Zukunftsmusik ohne inhaltliche Einbindung der leeren Quelle statt? Die Quelle fordert mehr als heraus und zeigt die Grenzen eindimensionalen Entwickelns. Das große, gebundene Quelle-Volumen ruft vermeintlich nach einer ebenso großen, einheitlichen und einträglichen Lösung. Doch wäre nicht in der Quelle eine faszinierende Mischwelt aus Universität, Kultur- und kommerziellen Einrichtungen bis zum Wohnen denkbar und stellte dies nicht sogar den überzeugendsten wirtschaftlichen Ansatz für den verführend schönen Klinkerbau dar? Gerade die Entscheidung, einen neuen Wissenschaftsstandort in der Stadt zu gründen, würde der Quelle einen großartigen Basis-Nutzer bescheren.
Und: Haben nicht diverse Studien, Studienarbeiten und gelebte „Visionen“ (die „Kulturmieter“ und Zwischennutzer der Quelle) bereits gezeigt, dass auch hier ein eigenständiger Nutzerpool Räume füllt? Das die heutige Immo-Welt eine hybride ist und keine monofunktionale mehr sein kann? Das noch dazu jeder von uns gleichzeitig wissenschaftlicher Entwickler, schaffender Künstler und flanierender Konsument sein kann, sogar sein muss? Und das dies alles in den bis heute faszinierend klaren Bau der Quelle einziehen kann, wo diese Mischung einfach „passt“? Die Hefte mit den Vorschlägen zu Umnutzungen von Quelle und AEG liegen vor, bzw. sind schon fast wieder verblasst. Man könnte sie lesen. Es wäre gut, wenn der Blick künftig über die Fürther Straße reicht.

Maria Trunk

Forscherin internationaler Protestkultur und Aneignung öffentlichen Raumes aus soziologischer und künstlerischer Perspektive, Nürnberg

Die Quelle als Lehrstück lebendiger Urbanität – Die Frage nach der Bedeutung von Raum im Raum Nürnberg und deren Teilfrage nach der Zukunft des Quelle-Areals sind eng mit gesellschaftlichen Gegenwartsfragen verbunden.

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Ein dialogorientiertes Zusammenspiel aller Beteiligten birgt Chancen auf innovative Antworten.

Gemäß der Auffassung urbaner Entwicklungen als statisch und oberflächlich, gäben die Akteure erwartbare Antworten auf die Frage nach der Zukunft der Quelle. Der Großinvestor parke Geld und spekuliert auf Gewinne. Die öffentliche Hand sei verzagt, immer mit der Frage konfrontiert, ob sie nicht selbst hätte kaufen können und noch zurück kaufen kann. Die heimzentrierten Bürger seien passiv, konzentriert auf ihre Konsumwünsche und infrastrukturellen Bedürfnisse. Reflexive Beobachter seien enthusiastisch gegenüber den Chancen einer offenen Gestaltung des Areals als Leuchtturmprojekt mit integrierten Wohnen, Wirken und Werkeln für Stadt und Gesellschaft. Die jungen Wilden würden sich austoben. Beflügelt seien sie von den Weiten des Gebäudekomplexes in dem sie sich fühlen würden wie in einer ahierarchischen, selbst gestaltbaren Stadt in der Stadt.
Ausgehend aber von der Auffassung urbaner Entwicklungen als dynamisch und komplex, ist die Zukunft der Quelle bereits im vollen Gange. Der Initiator dafür ist das unaufhaltsame Bedürfnis der Einwohner nach einer lebenswerten Stadt. Im Nürnberger Westen ist der Schlüssel dafür die Quelle. Denn sie ist der urbane Freiraum schlechthin. So ist die Idee einer Quelle als Kristalisationspunkt innovativer, gemeinwohlorientierter und partizipativer Stadtentwicklung auch nach dem Verkauf an einen Großinvestor nicht zu verbannen ist.

Aneignung als Grundrecht – Die Zeichen der Zeit weisen hin auf eine Wiederentdeckung von Aneignung urbaner Leerstände durch Initiativen von Stadtteilbewohnern die darin gemeinsam, integrativ und emanzipatorisch arbeiten, leben, wohnen wollen. In Berlin erschließen sie nach einem öffentlichen Workshopverfahren für den Alexanderplatz den dafür zentralen Leerstand Haus der Statistik. Dort entsteht derzeit das Nutzungskonzept eines Zentrums für Geflüchtete, Soziales, Kunst und Kreative. In Hamburg gibt es einen beispielhaften Beteiligungsprozess für die Gestaltung des Stadtteiles St. Pauli und dem dafür bedeutenden Konzeptes der ehemaligen Esso-Häuser. In Augsburg macht das Grandhotel Cosmopolis von sich reden, in Dresden ist es das Elixir. Aneignung als Grundrecht, finanzierbar und Hand in Hand mit Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Anwohnern.
Aus dem potentiellen Nürnberger Jungbrunnen Quelle sprudelt unverzagt auch nach der Verbretterung eben solcher Freiraum. Jener der Bürgern Raum zur Aneignung bietet. Hinzu kommt, dass die bedürfnisgetriebene Erschließung dessen verbunden ist mit der Entwicklung lokalen Strukturen, Netzwerken und Gemeinschaften die bereits heute Orte zur Reflexion und Umsetzung von gesellschaftlichen Veränderungen bieten. Anwohner und Interessierte, die einen Rundgang um das Gebäude wagen, können dies an der stillen Belagerung der Quelle mit spannenden Projekten ablesen.

Hin zur Hauptstraße bespielt die gemeinnützige Organisation Urban Lab mit ihrem Stadtentwicklungsprojekt „Bau dir deine Stadt“ einen Platz der Quelle. Diese offene Mitmach-Werkstatt hat zum Ziel, mit niedrigschwelligen Methoden wie Bepflanzung und bauen von Sitzgelegenheiten einen lebendigen Aufenthaltsort für Anwohner zu schaffen. Direkt daneben bleibt der Blick an einer Bauzaunplane hängen. Darauf zu sehen ist die Zeichnung des unabhängigen Projektteams IFAH. Inspiriert von der kreativwirtschaftlichen Zwischennutzung der Quelle entwarf es in Zusammenarbeit mit der Zeichnerin und Architektin Grit Koalick ein Bild voller Ideen für die Quelle. Ein Stück weiter erblüht neben einer temporären Flüchtlingsunterkunft der Stadtgarten der auch in die Zeichnung aufgenommen wurde. Ein paar Schritte entfernt liegt das ehemalige Heizhaus der Quelle, indem auf 2000qm rund 50 Kreative Räume für Ateliers, Studios, Büros Werkstätten und Zusammenkunft schaffen.

So kann die Quelle bereits jetzt als Teil einer sozial, ökologisch und kulturell geprägten Bewegung angesehen werden. Diese schafft mit und für die Bewohner Nürnbergs mittels gemeinschaftlicher Aneignung Teilhabe an solidarischen und sozialen Effekten – unabhängig von Kaufkraft, Profession, Alter, Herkunft und Geschlecht.

Dr. Jan Esche

Chefredaktion BDAtalk

Das Quelle-Areal ist in aller Munde, weit über Nürnberg hinaus. Wieder einmal soll hier ein Stück Architektur und Quartiersidentität ordinärem Mammon geopfert werden.

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Wieder einmal soll die Chance vertan werden, Stadtgeschichte als kontinuierliche Veränderung zu begreifen, aus der sich Quartiers- und Stadtidentität entwickeln kann.

Den Investoren wird kaltes Renditedenken und schnöde Gewinnmaximierung, den Architekten mangelnde Kreativität, der Stadtplanung fehlendes Urteilsvermögen und der Politik unzureichende Durchsetzungskraft und lähmende Intransparenz vorgeworfen. Die Ursachen für diese Kritik sind ebenso vielschichtig wie vielseitig.

Quartiere neu denken, heisst Stadt als Lernprozess zu verstehen. Als Dialog und Konsens zwischen allen Beteiligten: Jungen und alten Bewohnern, öffentlichen und privaten Akteuren aus Wirtschaft, Kirche, Kultur und Geistesleben. Es heisst auch Denken und Handeln über Ressortgrenzen hinweg, und damit  die Nutzung von Synergien von Fachwissen, Erfahrungen und Engagement für die Stadt. Chancen erkennen und Qualitäten entwickeln in der Balance zwischen ökonomischen Wachstum und nachhaltiger Entwicklung, zwischen baulicher Fortentwickung und Bewahrung des historischen Erbes, zwischen wachsender Mobilität und Festigung lokaler Identität.

Denn: Stadt als Lebensform und Zukunftsmodell ist bestimmt durch zivilgesellschaftliches Engagement von selbstbewusst agierenden Bewohnern, Vereinen, Stiftungen, Unternehmen, sozuialen Trägern, Kirchen, Schulen, Univefrsiutöäten und Forschungsinstituten. Sie ist geprägt von vielfältigen Impulsen eines aktiven Kultur- und Geisteslebens mit Beiträgen und Erkenntnissen von lokaler, regionaler, nationaler oder internationaler Bedeutung. Sie ist geformt durch ortsspezifische ökonomische und kulturelle Profile und Standortfaktirebn und deren aktive Weiterentwicklung. Sie ist unverwechselbar dank eines großen Spektrums an Zeugnissen und Traditionen eigener Bau- und Planungskultur und wandlungs- und lernfähig im Prozess zunehmender weltweiter Vernetzung von Wirtschaft, Handel und Mobilität.

In der Verantwortung stehen wir alle, die Bürgergesellschaft. Ziel: ein Mehr an Qualität zu erreichen. Gefragt sind Ansätze und Visionen, Antworten aus Planung, Politik und Öffentlichkeit, für das derzeit zweitgrößte „leerstehende“ Gebäude Deutschlands nach dem alten Flughafen Tempelhof.