![BER Flughafen Berlin Brandenburg, gmp Architekten von Gerkan Marg und Partner, Fotograf: Marcus Bredt](http://www.bda-talk.de/wp-content/uploads/2016/10/bdatalk062016.jpg)
Prof. Rainer Hascher
Architekt, Berlin
Der professionelle Bauherr – ein existentielles Risiko?
Deutschland leidet unter einer Lähmung zielführender Planungsprozesse – Kosten und Termine laufen zunehmend aus dem Ruder. Was sind die Ursachen für diese Fehlentwicklung?
Der Verlust der Bauherrenpersönlichkeit
Auf der Bauherrenseite hat sich ein gesellschaftlicher Wandel vollzogen. Es gibt keine wirklichen Bauherren und Entscheider mehr, die sich mit einer Bauaufgabe tatsächlich identifizieren, sondern fast ausschließlich nur noch entscheidungsgehemmte Geschäftsführer mit beschränkter Haftung in Form von Fonds, Bauträgern und Liegenschaftsbetrieben der öffentlichen Hand. Diese Geschäftsführer übernehmen nur noch so wenig wie möglich Verantwortung für Planungsentscheidungen. Ihr vorrangiges Ziel ist die Absicherung ihrer Angestelltenposition und diese erscheint in Deutschland am besten gesichert zu sein, indem eine ständig steigende Zahl von Controllern den Planungsprozess dominiert.
Bei großen Bauvorhaben sitzen den Architekten und Ingenieuren in den Planungsbesprechungen eine größere Zahl an Controllern, Nutzer- und Bauherrenvertretern gegenüber als alle Planer zusammen. Problemlos könnte eine solche Controller-Mannschaft das Haus auch selbst bauen. Stattdessen hat jeder Controller natürlich nur seine Fachsparte im Blick und stellt dafür Maximalforderungen auf. Die Planung verkommt zu einem ineffizienten Absicherungsprozess von Verwaltungsakten. Das daraus entstandene Produkt offenbart trotz hoher Baukosten eine ausgeprägte Durchschnittlichkeit in jeder Beziehung, Terminverzüge gehen Hand in Hand. Wenn am Ende mehr Honorar in das Controlling als in den eigentlichen Planungsprozess fliesst, entsteht ein Teufelskreis mit verheerenden Folgen – zu guter Letzt wird jede Planungseffizienz, aber auch Kreativität systematisch abgewürgt.
Mangel an Teamgeist
Überall dort, wo zeitgemäße Produkte entwickelt werden, ist heute Teamarbeit eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg. Bauherren, Architekten, Ingenieure und die ausführende Industrie müssen als Team, das das Bauvorhaben als übergeordnetes Ziel vor Augen hat, zusammenarbeiten. Diese Teamarbeit funktioniert in Deutschland seit geraumer Zeit in keinster Weise mehr. Die Großbauvorhaben Flughafen in Berlin und die Elbphilharmonie in Hamburg sind lediglich die Spitze des Eisberges.
Die Juristen haben das Heft in die Hand genommen und kujonieren den Planungsprozess mit fatalen Folgen: Wer sich in diesem Land in einer Führungsposition für ein Großbauvorhaben befindet, versucht, sich in jeder möglichen Weise juristisch abzusichern. Besser nichts unternehmen, was auch nur entfernt angreifbar ist, am besten gar keine Entscheidung treffen. Bürokratisierung wird gefördert, und jede Dynamik wird systematisch unterdrückt. An die Stelle einer innovativen und unabhängigen Elite treten Personen, die sich nur noch oben halten können, weil sie besonders angepasst sind. Scheinbar „juristisch alles im Griff“ und dennoch „im Ergebnis ein Desaster“ ist in der Zwischenzeit deutscher Standard und dient lediglich als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen und Gerichte.
Die Janusköpfigkeit der Politik
Die Bundesstiftung Baukultur wurde mit Hilfe der Bundesregierung ins Leben gerufen und sollte die Baukultur fördern Jedoch dort, wo es unmittelbar um die Durchsetzung dieser Ziele geht, handeln viele der Bundesländer diesen Zielen bewusst zuwider. Die dort politisch gewollte, jedoch falsche Ausrichtung und mangelnde Besetzung der ehemaligen Hochbauämter, die seit geraumer Zeit in verschiedenen Bundesländern um ihrer scheinbar höheren Effizienz willen in GmbH’s umgewandelt, personell drastisch verschlankt und dabei in der Führungsebene mit Betriebswirten und Juristen neu besetzt werden, hat in der jüngeren Vergangenheit dazu beigetragen, dass Baukosten und Terminabläufe für Bauaufgaben bereits im Vorfeld viel zu niedrig eingeschätzt wurden.
Der zunehmende Einfluss der Juristen in den Bauverwaltungen führte erst vor kurzem durch neue Mustervertragsregelungen der öffentlichen Hand zu einer drastischen Verlagerung von Bauherrenrisiken auf die Architekten. Von jetzt an haften die Architekten auch bei nicht eigenem Verschulden mit ihrem vollen Honorar für alle Kosten- und Terminüberschreitungen. In keinem anderen Land der EU werden Architekten von der öffentlichen Hand durch derartige Musterverträge so geknebelt.
Wie lässt sich diese Situation verbessern?
Die „Reformkommission Bau von Großprojekten“ führt dafür in ihrem Endbericht einen 10-Punkte Aktionsplan auf. Bundesminister Dobrindt verweist in seinem Vorwort dazu leider vor allem nur auf Punkt 10 „Building Information Modelling“ – die ersten 9 Punkte erscheinen ihm nicht weiter erwähnenswert.
Das scheinbare Wundermittel BIM, auf das er so vehement setzt, wird diese Zustände jedoch keineswegs alleine verbessern. Auf die Politik sollten wir uns also nicht verlassen. Die strukturellen Probleme erscheinen so verfahren, dass man an eine Verbesserung des Ist-Zustandes kaum mehr glauben mag. Ich sehe nur eine Chance, die Wende doch noch herbeiführen zu können:
Wir benötigen dringend eine starke gemeinsame „Bundesdachkammer für das Bauwesen“, in der die Ingenieure und Architekten gemeinsam die Interessenvertretung auch auf europäischer Ebene wahrnehmen können. Heute haben wir ein offenes Europa mit zentral gesteuerter Einflussnahme direkt aus Brüssel. Gesplittet agierende, egozentrisch orientierte, dabei finanziell gut aufgestellte Länderkammern und eine mit wenig Mitteln und geringen Befugnissen ausgestattete Bundeskammer sind dafür nicht mehr zeitgemäß. Vor allem sind eine starke juristische Vertretung und eine hervorragend ausgestattete PR-Abteilung zentral auf Bundesebene unabdingbare Bestandteile für eine Veränderung der jetzigen Zustände.
… aus aktuellem Anlaß: BER-Architekt: „Ich wage keine Prognose“ – Interview von Meinhard von Gerkan über die Frage, warum wurde das Projekt zum Desaster wurde. In: Süddeutsche Zeitung, 11. November 2016. http://www.sueddeutsche.de/geld/interview-von-meinhard-von-gerkan-ber-architekt-ich-wage-keine-prognose-1.3244570
… aus aktuellem Anlaß: Ausgabe 11/2016 – Aktuell
Ich habe noch nie einen Bauherren verklagt
Im Gespräch mit Christoph Ingenhoven, Düsseldorf.
http://www.dbz.de/artikel/dbz_Ich_habe_noch_nie_einen_Bauherren_verklagt_Im_Gespraech_mit_Christoph_2685376.html
Gedanken anlässlich der Eröffnung der Elbphilharmonie: Die politischen Bauherren bringen die existentiellen Risiken. Die Regierenden auf Ebene Länder und Bund bestimmen in einer einzigartigen Weise über das deutsche Bauwesen. Das wichtigste Ziel bei der Ordnung des Bauens ist es, Bauprojekte auch bewusst verpfuschen zu können, koste es, was es wolle. Die professionellen Bauherren nutzen die Möglichkeiten dieses Bau(Un)wesens eben auch.
Die Gesamt-Kostenbilanz für die Elbphilharmonie habe ich aktuell in einer Webseite zusammen getragen. Es ist zum Gruseln (https://www.bauwesen.co/elbphilharmonie-kosten). So krumme Bauprojekte müssen nicht sein. Lassen Sie uns Bauen wertvoller machen.