Prof. Ludwig Wappner

Architekt, München

„München wächst und braucht dringend neue Schulen“. Diese derzeit häufig in den Überschriften der Medien nachlesbare Ansicht erfreut einerseits natürlich die Architektenschaft. Sie zeigt aber andererseits auch das Dilemma und die Versäumnisse eines Bildungssystems, welches chronisch mit Prognosen und Programmen hinterherhinkt.

Es vergeht kein Jahr in Bayern, in dem nicht am Schulsystem herumlaboriert wird. Gleich welcher Schulart werden pädagogische Experimente im Dauerlauf aufgerufen, getestet und verworfen. Man hat das Gefühl, dass nicht die pädagogische Neuerung die schulische Entwicklung unserer Kinder nachhaltig beeinflusst, sondern immer noch der spürbare Geist der Schulen und natürlich auch das Schulhaus selbst, der besondere Ort in der Stadt mit hoher Identität für viele Jahre der kindlichen Prägung neben dem Elternhaus.

Warum nun eine Stadt wie München ihre schulpolitischen Versäumnisse ausgerechnet mit dem vielerorts schon gescheiterten „Modulbaukasten für neue Schulen, Schwerpunkt Grundschulen, aber auch schon Kindergärten“ kurzfristig in den Griff bekommen will, ist kaum schlüssig nachzuvollziehen.
Schule ist für viele Jahre ein wichtiger Ort der Entwicklung und Förderung von Bildung und sozialer sowie gesellschaftlicher Kompetenzen. Dazu braucht es keine modularen, gleichförmigen Aufbewahrungshäuser, sondern individuelle und stadtteilprägende Schulhäuser, die den Ort, den Kontext und insbesondere auch pädagogische Prinzipien abbilden, ohne dass alle gleich aussehen.

Dies hat Münchens Schulbaukultur in vielen Stadtteilen, gerade auch mit den stattlichen Schulen der Gründerzeit intensiv und nachhaltig geprägt und auch gezeigt, dass gerade diese Schulbauten ohne große Veränderungen alle Schulreformen über 100 Jahre locker gemeistert haben, ohne unbrauchbar zu werden.

Es liegt schon eine sichtbare Wahrheit in der oft zu hörenden Aussage, dass Architektur ein Spiegel der jeweiligen Gesellschaft darstellt, gerade im Schulbau kann man dann ganz schnell im Lande die Bildungsmisere nachvollziehen und in internationale Vergleiche setzen. Da schneidet Deutschland bekanntlich wenig gut ab.

Die Zukunft des Schulbaus liegt in der Gegenwart. Pädagogisch neue Konzepte lassen sich nachweislich auch in gut geplanten, mit stabilen Grundrissen ausgestatteten Häusern ausprobieren und umsetzen und daraus die notwendigen Erkenntnisse für zukunftsweisende Neuerungen ziehen. Dazu gehören neben mehr Räumen zur Differenzierung und für einen ganztägigen Betrieb in erster Linie aber die notwendigen Pädagogen, die es gilt, in ausreichender Anzahl bereitzustellen, da ansonsten alle Neuerungen Absichtserklärungen bleiben.

Architekten sollten aber trotz restriktiver Vorgaben und kritischer Beäugung durch „bürgerliche Aufsicht“ nicht aufhören auch im Schulbau nach vorne zu schauen und auf Augenhöhe mit der Gesellschaft wohl überlegte Experimente zu wagen. Dann hat Schulbau auch wieder mehr Zukunft!