Prof. Michael Stößlein

Architekt und Stadtplaner, Nürnberg

Ändert den Blick! Vom Quelle Versandhaus zur Quelle Stadt! – Die Quelle ist als Teil unserer Stadt und in einem Planungs- und Bauprozess von über 20 Jahren entstanden. Sie ist eine Stadt in der Weststadt und soll durch einen Investor wieder belebt werden, so der Wille der Verantwortlichen in Nürnberg. Ist das der richtige Weg?

Der derzeitige Prozess ist falsch! – Nach der Insolvenz der Quelle GmbH im Jahre 2009 steht das Gebäude abgesehen von einigen Versuchen kultureller und kommerzieller Zwischennutzungen leer. Inzwischen plant der zweite Investor an Konzepten der Wiederbelebung des Hauses.

Der erste Investor hatte bereits Lay-Outs für die Flächen entwickelt, das wohl unvermeidliche Einkaufszentrum im EG und auf verschiedenen Obergeschossflächen die Parkierungsmöglichkeiten für die mit dem PKW anfahrenden Kunden. Damit die Stellplätze erreicht werden können, sollten großvolumige Spindeln vor der Neufert´schen Südfassade entstehen. Die Frage, ob diese Flächen nicht viel zu wertvoll für eine solche Unternutzung sind, musste nicht weiter gestellt werden: der Investor hat sich aus dem Projekt verabschiedet.

Nun ist der zweite Investor am Planen: Im  Rahmen einer Veranstaltung in der Kantine des früheren Versandhauses sollten erste Ergebnisse vorgestellt werden, gezeigt wurde Visualisierungen mit Konsumenten und Büromenschen, die ihre Mittagspause im überdachter Innenhof verbringen. In den Obergeschossen sollen Büroflächen, eine Laufbahn und wohl auch Wohnungen eingebaut werden.

Presseberichte, dass auch dieser Investor vor dem Absprung steht, sind nicht bestätigt.

Kann das Haus umgenutzt werden? – Letztlich wurde das Gebäude schon immer hybrid genutzt. Im Laufe der 20-jährigen Planungsgeschichte wurden die Flächen mehrfach den Inhalten angepasst, die Struktur hat vieles ermöglicht. Neuferts Leistung besteht darin, die Haltung der Fassade über die lange Entwicklung hinweg zu wahren, dem Haus ein signifikantes Kleid zu geben, das die Bauabschnitte umfasst und zusammenhält.

Ein Entwurfskurs im Masterstudium Architektur der TH Nürnberg hat gezeigt, welche Nutzungen auf den Flächen in Zukunft eingebracht werden können: natürlich Handel- und Büroeinheiten, aber auch Werkstätten, Wohnen, kulturelle Angebot wie ein Konzertsaal, eine Bibliothek, Ausstellungsflächen – das ganze Programm ist hier möglich. Erforderlich sind eine Erschließungsstruktur, das Einbrechen von Belichtungsöffnungen in den tiefen Flächen und das Herrichten der Fassade Neuferts.

Die Vision: Lasst uns das Haus als Stadt entwickeln! Es wird kein Investor benötigt, sondern ein „Bebauungsplan“! Das tragende Bild der Entwicklung des Quelle Versandhauses ist die „Stadt“, die hier nicht nur horizontal wächst, sondern die aus gestapelten Ebenen besteht, die feld- und geschossweise belegt werden können, sobald eine vertikale und horizontale Erschließungsstruktur festgelegt und im Vorgriff analog zu den „Plätzen, Straßen und Wegen“ in einem neu auszuweisenden Baugebiet hergerichtet ist. Die Statik des Baus leistet, dass diese Straßen befahrbar sein können – für Radfahrer und Elektromobile, ein Anreiz für die Bewohner und Benutzer, sich diese anzuschaffen, weil sie dann damit ihre Einheit in der Quelle-Stadt direkt erreichen. Gleichzeitig wird die Fassade im Sinne Neuferts hergerichtet, werden Lichttrichter in der Lage positioniert und in den tiefen Flächen eingefügt, werden die Spartenlagen für die Haustechnik vorgerichtet. Plätze strukturieren die Wege, Grünflächen auf den Dächern dienen dem sozialen Miteinander. Und dazwischen liegen die „Grundstücke“, manche wertvoll und in 1A Lage, andere ruhig und abseitig, aber fürs Wohnen am nachbarschaftlich genutzten Platz oder mit Verbindung aufs Dach mit dem Grün- und Sportflächenangebot wunderbar geeignet.

Die Grundlage für dieses Konzept liefert ein Wettbewerb, der nicht Bilder, sondern Strukturen als Ziel hat. Und wenn diese Strukturen im Vorgriff hergestellt sind und der „Bebauungsplan“ Regeln für die Belegung der Flächen hergibt, wird die Stadt nach und nach gefüllt, Nutzungen werden sich suchen und ergänzen.

Es ist kein Investor nötig, der letztlich nur am Einkaufszentrum interessiert ist und der die restlichen Flächen mehr oder weniger lieblos betreibt. Eine kommunale Betreibergesellschaft, beraten von Fachleuten und begleitet durch Bürger, die mit der geschilderten Struktur in Vorleistung geht und dann die Flächen verkauft oder vermietet, ist der bessere, vielleicht der einzige Weg!