Robert Neuberger

Architekt, Stadtplaner, München

Quartier statt Haus – Natürlich wollen wir das alle: Qualität im Wohnungsbau. Wer sollte auch nicht für Qualität sein? Mit einer Forderung nach Qualität kann man nichts falsch machen. Nur – Qualität, was ist das?

Der Duden hilft kaum weiter: „Gesamtheit der charakteristischen Eigenschaften, Güte, Beschaffenheit, etc.“. Auch in unserer eigenen Fachdisziplin wird die gleiche Qualität zu unterschiedlichen Zeit sehr unterschiedlich bewertet – ist heute etwa die dichte „Europäische Stadt“ gut und die „Stadt der Moderne“ schlecht, so war das lange genau anders herum. Architekturdebatten wurden zu allen Zeiten sehr vehement geführt. Oft mit dem Ergebnis, dass manches heftig kritisierte heute wieder begehrt ist. So setzt vor dem Hintergrund der Wohnungsknappheit aktuell endlich eine Rehabilitierung der Großsiedlungen der 60er und 70er-Jahre ein – gut so!

Qualität ist also etwas komplexes, abhängig vom Kontext, von der Zeit und vom Blickwinkel, nichts absolutes. Kompromisslosigkeit wäre demnach keine Qualität – das könnte vielleicht gerade für Architekten eine gute Erkenntnis sein. Toleranz hingegen wäre eine Qualität – nicht nur für Architekten.

Eine Qualität könnte auch sein, die Debatte um bezahlbaren Wohnraum nicht nur auf den Neubau zu verengen: „Die in „Schlichtbauweise“ errichteten Wohnungsbauten der 50er bis 70er Jahre aus der Boom-Zeit des sogenannten sozialen Wohnungsbaus müssen in den kommenden Jahren in weiten Teilen ersetzt werden.“ (Webseite der Bauverbände Westfalen zum NRW Landespreis 2017 „Gutes Bauen im öffentlich geförderten Wohnungsbau“)

Im Klartext: Wir sollen 50 Jahre alte Häuser abreißen, die genau das beinhalten, was wir brauchen – einfachen, kostengünstigen Wohnraum. Und das wahrscheinlich noch staatlich gefördert. Da kann man zwar den Hut ziehen vor der guten Lobbyarbeit der Bauindustrie, aber helfen tut uns das kein bisschen. Stattdessen müssten wir verstehen, dass es genau die Qualitäten dieser Häuser sind, die wir zur Lösung brauchen. Sie sind nicht energetisch optimal, sie sind nicht barrierefrei, – na und? Dafür haben sie kompakte Grundrisse und billige Mieten. Und des gibt viele davon. Die Barrierefreiheit und die Ergänzung des meist einseitigen Wohnungsmixes kann man durch Neubauten im Quartier lösen. Die Energiefrage durch Nahwärmenetze im Übrigen auch. Steckt man die mangels Abriss ersparten Fördermittel in das Quartier, also z.B. in eine Subventionierung der Miete für die Neubauten, kommen die Verschiebeprozesse zu Stande die man braucht: Ältere Dame zieht aus großer Wohnung in die kleine im barrierefreien Neubau, sie kann im Quartier alt werden, dafür wird eine kostengünstige Familienwohnung frei.

Zugegebenermaßen geht es dann weniger um (Wohnungs-)Bau- oder Architektur, sondern um Quartiers- und Stadtentwicklung. Weniger darum in was wir leben wollen, sondern darum wie wir zusammenleben wollen. Es wäre eine Debatte darüber, welche Stadt wir uns wünschen und wo wir als Stadtgesellschaft hinwollen. Und somit eine politische Debatte über die Qualität der sich verändernden Stadt – und das ist auch genau das was notwendig ist. Richtig dosiert sind Norm und Standard dabei nicht das Problem, sondern Teil der Lösung.