Prof. Dr. Ernst Fricke

Rechtsanwalt und Journalist, Vater eines 15-jährigen Sohnes und Vorsitzender der Elternvereinigung an Ordensschulen in Bayern (EVO) sowie des Elternbeirats am Gymnasium Seligenthal in Landshut.

Der wohl berühmteste Architekt unserer Zeit Oscar Niemeyer, hat im Alter von 104 Jahren als Resümee eines langen Lebens und zugleich als Reflexion über unsere Gesellschaft gesagt: „Die Architektur ist nur ein Vorwand. Wichtig ist das Leben, wichtig ist der Mensch, dieses merkwürdige Wesen mit Seele und Gefühl, das nach Gerechtigkeit und Schönheit hungert.“

Wie hätte Oscar Niemeyer unter seiner Lebensmaxime „Wir müssen die Welt verändern“ Schulen in Deutschland gebaut? Wie sehen Schulen aus, in denen man sich wohlfühlt und in denen Lernen und Lehren besser gelingen? Und wie entstehen sie? Oscar Niemeyer hätte zuallererst Kinder gefragt, dann deren Eltern, natürlich auch die Lehrer, die Schulträger und ganz zuletzt die Politik. In kirchlichen Schulen gibt es die Kommunikationskultur auch in baulichen Fragen schon lange.

Mein Sohn Ernest war im Kindergarten, in der Grundschule und ist jetzt im Gymnasium der Schulstiftung des Klosters Seligenthal in Landshut. Ein riesiges Areal, im Mittelalter am Rande von Landshut, heute mittendrin in der Stadt. Man durchschreitet ein großes Tor und ist als Schüler in einer geschützten Welt des Lernens, heute verbunden mit moderner Architektur und bemerkenswerter Liebe zum Denkmalschutz und so zum Erhalt der Klosteranlage aus dem 12. Jahrhundert. Als wir Ernest fragten, in welches Gymnasium er in Landshut gehen will, war seine Antwort ganz selbstverständlich: „Ins Gymnasium Seligenthal, da fühle ich mich beschützt.“, sagte ein 10-jähriger Grundschüler. Heute antwortet der Gymnasiast fünf Jahre später auf die gleiche Frage: „Wir haben die schönste Schule der Welt.“, moderne Klassenzimmer mit zeitgerechter Ausstattung, hell, beschützend, innovativ und offen für Veränderungen. Dieses Jahr kam eine nagelneue Mensa dazu, die ihresgleichen sucht, von der kommunikativen Atmosphäre bis zum gesunden qualitätsvollen Essen. Ein persönliches Anliegen der Äbtissin, die Freude daran hat, für ihre Schulfamilie die Zukunft auch architektonisch und mit modernen Raumkonzepten gestalten zu lassen.

Auch für staatlichen Schulen gilt, sie sind Lern- und Lebensorte. Die gesellschaftliche Debatte über Schulen, Schulformen und Schularchitektur beschäftigt sich mit nachhaltigen Veränderungen: Die Ausweitung des geregelten Ganztags, sowie die Notwendigkeit veränderter pädagogischer Konzepte in einer global vernetzten Wissensgesellschaft. Foyer und Schule verwandeln sich so in „öffentliche Räume einer demokratischen Gemeinschaft, „Lernstraßen“ ermöglichen formelle und informelle Aktivitäten und „Schaufenster“ zwischen Lernstraßen und Klassenraum lassen soziale Bezüge, Präsentation von Projektergebnissen zu.

Am staatlichen Albrecht-Ernst-Gymnasium (AEG) in Oettingen funktioniert das schon vorbildlich. Im Rahmen von „Theater träumt Schule“ in den Münchner Kammerspielen haben die Schulleiter Claudia Langer und Günther Schmalisch ihr Konzept erläutert: „Als man Schulen noch Anstalten nannten, sollten die Räume Respekt einflößen und das Mobiliar sollte das Stillsitzen sichern. Dann gab es eine Zeit, in der Lernfabriken gebaut wurden. Da wurden die Schüler häufig in einer Art Container untergebracht und selbst wie Fässer mit Stoff gefüllt.“ Und in Oettingen hat eine engagierte Direktorin mit einem innovativen Team von Eltern, Lehrern und begeisterten Schülern ein Konzept entwickelt, ein „bayerisches Gymnasium ohne Vergünstigungen und Sonderrechte, was für die Kinder der ersten Jahrgänge die Räume um ein Forum gruppiert, die von allen Seiten gut einsehbar sind.“ Es gibt keine Türen. Die Lernräume sehen anders aus als Belehrungsklassen. Die dafür veränderte Architektur eines in die Jahre gekommenen Gymnasiums trägt das Konzept: „Man kann das Wissen nicht in die Köpfe der Kinder füllen.“, so Günther Schmalisch, weil „echtes Wissen wird durch Eigenaktivität erworben“. Derzeit werden auch weitere Räumlichkeiten für die Mittelstufe und Oberstufe umgebaut. Eine „Schule in Bewegung“ ausgezeichnet mit dem „Deutschen Lehrerpreis 2013, Unterricht Innovativ“.

Auch die Anne-Frank-Realschule München, die den Deutschen Schulpreis der Robert-Bosch-Stiftung 2014 verliehen bekommen hat, besticht durch drei farblich unterschiedliche Lernhäuser. So entstand eine lernende Schule, da Schulentwicklung nicht nur bei der Gebäudeentwicklung ein Prozess ist, der nie abgeschlossen sein kann. „Voneinander lernen und eine lebendige Schule zu gestalten, bedarf einer großen Bereitschaft hinzuschauen, um verändern zu können und ständig weiter zu entwickeln.“, verkünden die Protagonisten dieses Projekts.

Von anderen Schulen lernen, ist auch das Ziel der neu gegründeten Deutschen Schulakademie. Gegründet von der Robert-Bosch-Stiftung und der Heidehof-Stiftung, wird dort der Transfer guter Schulpraxis ermöglicht werden. Auch Architektur als Urvoraussetzung für die Umsetzung dieser neuen Konzepte könnte dort vermittelt werden. „Die Vision meiner Wunschwelt ist kein statisches Gebilde, sondern hat eine in ständiger Veränderung befindliche Gestalt“, stand diese Tage im Nachruf des fast neunzigjährig verstorbenen Architekten Otto Frei. Das gilt auch für die Schularchitekten im Jahr 2015.

Alle Eltern und auch die Elternverbände in den Bundesländern sind so in der Pflicht, nicht nur solche modernen Schul- und Architekturkonzepte bei einer Exkursion zu besichtigen, sondern sich selbst vor Ort um gute Schularchitektur zu kümmern, so wie es Oscar Niemeyer fordert: „Wir müssen die Welt verändern.“