Prof. Dr. Gerald Beck

Sozialwissenschaftler, München

Die Unterscheidung von Stadt und Land ist längt überholt. Die Fachdebatte wird um vermittelnde Begriffe wie „StadtLandschaft“ oder „Zwischenstadt“ geführt und die Konzepte sind wohl auch
geeignet, die durch rapide voran schreitende Zersiedelung entstehenden Gebilde zu beschreiben. Einen anderen Blick auf das Phänomen ermöglicht der in der neueren Techniksoziologie verwendete Begriff der „Infrastruktur“. Der Blick auf Infrastrukturen, zu denen Zwischenstädte selbst genau so zählen wie ihre Anbindung, zeigt, dass Infrastrukturentscheidungen nicht nur funktionell oder ökonomisch zu betrachten sind. Die Entscheidungen über Infrastrukturen sind, wie die Techniksoziologin Susan Leigh-Star gezeigt hat, immer auch politische, moralische und soziale Entscheidungen darüber, wie wir leben werden und welche Gruppen an diesem Leben teilhaben
können.

Infrastrukturen entfalten sich erst in ihrer sozialen Aneignung oder eben in sozialen Zugangsbeschränkungen die durch sie manifestiert werden. So können Straßen nicht nur verbinden, sondern (z.B. bei mangelnder Erschließung durch öffentlichen Nahverkehr) auch in
Form von Distanzen bestimmte Bevölkerungsgruppen ausschließen. Infrastrukturen bleiben uns meist verborgen, sie werden erst dann sichtbar, wenn sie versagen. Zwischenstädte – ob in Form des Einkaufszentrums auf der ehemals grünen Wiese, des Gewerbegebietes an der Autobahnausfahrt oder der Reihenhaussiedlung, die irgendwo am Ortsrand wie ein Raumschiff
andockt – müssen also gesellschaftlich ausgestaltet werden. Die Basis dafür wird auch in der ästhetischen Gestaltung dieser Infrastrukturen gelegt. Wird Funktion nur ökonomisch und
technisch gedacht oder auch sozial (jenseits aller sozialtechnischen Phantasien)? Inwieweit sind Bürgerinnen und Bürger an Planungsprozessen beteiligt? Gibt es Freiräume oder Zwischenräume, die sich Bürgerinnen und Bürger in Form von gelebtem, öffentlichem Raum aneignen können? Wie können diese Prozesse mit partizipativen Verfahren unterstützt werden? Aber auch: Welche Rolle spielen die ökologischen Folgen von ungebremstem Flächenverbrauch?

Letztendlich geht es auch um die Frage nach dem Gesicht Bayerns. Wollen wir ein Gesicht für das Museum und den Katalog (Dorf, See, Kühe, Berge, Dirndl) und eines für den Alltag? Oder finden wir sozial innovative Wege zur Gestaltung von StadtLandschaft: nicht nur in Form von umbautem Raum, sondern in Form von gelebtem Raum?