Stefanie Remlinger

Abgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, Berlin

Gute Schulen oder starres Setzkastenprinzip – Die Berliner Bildungspolitik steht vor einer großen Herausforderung: Als wäre der Sanierungsstau in den bestehenden Schulen von mindestens zwei Milliarden Euro nicht Aufgabe genug, wachsen auch noch unsere Schülerzahlen rapide an. Besuchen im laufenden Schuljahr noch 297 000 Schülerinnen und Schüler den Unterricht, werden es im Schuljahr 2023/24 bereits 337 000 sein – ein Zuwachs von 40 000 jungen Menschen. Die logische Folge heißt: Wir müssen bauen, und zwar jetzt! Meine Fraktion der Berliner Grünen im Abgeordnetenhaus fordert deshalb zusätzlich zu den Senatsplanungen ein Investitionsprogramm Schulneubau in Höhe von mindestens 400 Millionen Euro.

Doch was tut der Senat? Seit 2011(!) warten wir auf eine neue Schulentwicklungsplanung. Jetzt plötzlich, angeblich völlig überrascht vom steigenden Raumbedarf, setzen die Verantwortlichen auf Modulbau-Serien mit starr einheitlichen Raumprogrammen. Das mag für Viele auf den ersten Blick eine schnelle, bezahlbare und dem wachsenden Bedarf angemessene und vielleicht sogar moderne Antwort sein. Ich persönlich halte sie für grundsätzlich verkehrt.

Die moderne Pädagogik weiß: Das Wort vom Gebäude als „Dritter Pädagoge“ ist kein leeres Gerede. Vielmehr dürfen negative Auswirkungen falsch gebauter Schulen inzwischen als empirisch nachgewiesen gelten. Es geht um weit mehr als nur „ein Gefühl“ von Wohlbefinden und Zufriedenheit von SchülerInnen wie Lehrkräften. Nein, Schulgebäude haben ganz konkret Auswirkungen auf ihre Gesundheit und Motivation, auf Fehl- und Krankheitszeiten, auf aggressives, vandalistisches Verhalten sowie auf die Konzentrationsfähigkeit, Arbeitsgeschwindigkeit und allgemein Leistungsfähigkeit.

Deshalb ist es so wichtig, die Fragen zu stellen: Wie einladend möchten wir Schulgebäude gestalten? Wie setzen wir pädagogische Ansätze wie Ganztagsunterricht und Inklusion baulich um? Wo können multiprofessionelle Teams sich finden? Passen Binnendifferenzierung und individuelle Förderung tatsächlich gut zu einheitlich normierten Rechtecken? Wie beziehen wir die NutzerInnen der Gebäude in ihre Gestaltung mit ein?

Gute Gebäude-Architektur respektiert die Ansprüche und Anforderungen derjenigen, die die Räume täglich nutzen. Im Schulbereich heißt das: Schon in der äußeren Gestaltung wird die Rolle der Bildung in unserer Gesellschaft als Wert an sich deutlich. Schul-Architektur schafft eine gesunde Lern-Atmosphäre, in der Licht, Luft und Raum von großer Bedeutung sind. Sie könnte, besonders was ökologische Nachhaltigkeit angeht, Vorbild sein für neue Methoden und Konzepte hinsichtlich von Baustoffen und energetischer Bewirtschaftung mit der Vision, Schulen irgendwann sogar als Aktivhäuser zu gestalten. Das wäre eine Bildungsinspiration!

Die Politik hat die Aufgabe, mit intelligenten Architekturkonzepten die Schul- und Unterrichtslandschaft des 21. Jahrhunderts zu gestalten. Es muss unser Ziel sein, mit kreativen Ideen neue, dem Bildungsauftrag entsprechende Lösungen zu erarbeiten. Modulbauten sind ein Notnagel – sie sollten nicht zum Sargnagel der Schularchitektur werden.